Untersuchung zu Studienerfolg und Studienabbruch an den Schweizer Hochschulen
Die gymnasiale Maturität sichert den prüfungsfreien Zugang zu einer Universität oder ETH. Das Ziel der gymnasialen Ausbildung ist bildungspolitisch neben der vertieften Gesellschaftsreife die Allgemeine Studierfähigkeit. Prof. Franz Eberle legt in einer weiteren wissenschaftlichen Studie dar, wie weit sich das auch im Studienerfolg spiegelt, welche Rolle die weiteren Maturitätsarten und Hochschultypen spielen und wo Verbesserungspotenzial besteht.
Die im Auftrag der Schweizerischen Maturitätskommission (SMK) erstellte und im Januar 2025 publizierte Untersuchung Studienerfolg und Studienabbruch an Hochschulen von Professor Franz Eberle setzt die 2022 vorgelegte Analyse Studienerfolg von Absolventinnen und Absolventen der Ergänzungsprüfung «Passerelle» an den universitären Hochschulen fort. Darin wurden aufgrund von Daten des Bundesamtes für Statistik (BFS) verschiedene Vergleiche mit den «Normalzugängen» mittels Maturitätsausweis untersucht. Mit denselben Datensätzen wurde nun der Fokus verstärkt auf die gymnasialen Maturandinnen und Maturanden gerichtet und die weiteren Maturitätsarten und Hochschultypen einbezogen.
Die im Rahmen der SBFI-Schriftenreihe publizierte Folgestudie schliesst eine wichtige Lücke. Sie erlaubt eine Betrachtung aller Zugangswege zur tertiären Bildung im Rahmen der drei Hochschultypen universitäre Hochschule (UH), Fachhochschule (FH) und Pädagogische Hochschulen (PH) und legt die entsprechenden Studienerfolgsquoten offen.
Abstimmung Maturität – Hochschule funktioniert grundsätzlich gut
Der Autor stellt anhand der Studienerfolgsindikatoren «Studienabschluss» und «Studienabbruch» eine derzeit grundsätzlich gute Abstimmung zwischen den hochschulspezifischen Zugangsvoraussetzungen durch die drei Maturitätsarten gymnasiale Maturität, Fachmaturität und Berufsmaturität und den hochschulspezifischen Anforderungen der verschiedenen Hochschultypen fest. Auch die Symmetrie der verschiedenen Bildungswege in den tertiären Bildungsbereich mit den beiden Passerellen-Lösungen (1) von der gymnasialen Maturität zu den FH und (2) von der Berufs- und Fachmaturität zu den UH wird als ausreichend bewertet. Das Schweizer Bildungssystem bereitet auf Sekundarstufe II also grossmehrheitlich gut auf ein erfolgreiches Studium auf Tertiärstufe vor. Gleichzeitig wurden aber auch einige problematische Befunde erkannt, denen die bildungspolitisch Verantwortlichen nachzugehen empfohlen wird.
Rahmenbedingung der Ergänzungsprüfung Passerelle
Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Vorbereitung auf die Ergänzungsprüfung Passerelle könnte die Absolvierendenzahl erhöhen, womit dieser häufig durch nicht Akademikerkinder genutzte Weg vermehrt sozial ausgleichende Wirkung entfalten könnte. Problematisch hingegen wäre jedoch ein Verzicht auf diese Ergänzungsprüfung. Die Studienabbruchquote vor allem bei den Exakten und Naturwissenschaften sowie den Technischen Wissenschaften sei bereits jetzt auch bei Berufsmaturandinnen und -maturanden aus diesen Fachbereichen und mit Passerelle zu hoch.
Anforderungsgefälle zwischen UH sowie FH und PH
Die Symmetrie der hochschulspezifischen Anforderungen und Zugangsvoraussetzungen dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwischen universitären Hochschulen einerseits und Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen andererseits ein Anforderungsgefälle bestehe. So seien auch weniger leistungsfähige gymnasiale Maturandinnen und Maturanden fähig, ein Studium an einer FH oder PH aufzunehmen und erfolgreich abzuschliessen. Umgekehrt ist das weniger der Fall. Für die PH stelle sich deshalb die Frage der Mindestvoraussetzungen bei den allgemeinen und fachlichen kognitiven Kompetenzen für den Lehrerberuf. Die FH müssten sich hingegen fragen, ob sie nicht zu stark akademische Leistungen einfordern und zu wenig Gewicht auf die Berufspraxis legen.
Zu viele Personen verzichten trotz absolvierter Berufsmatur auf ein FH-Studium
Gemäss den ausgewerteten Daten nehmen derzeit bloss rund 60 Prozent der Berufsmaturandinnen und -maturanden ein Studium an einer Fachhochschule auf. Unter Berücksichtigung, dass auch einige Berufsmaturandinnen und -maturanden an einer Pädagogischen Hochschule (mit Aufnahmeprüfung) oder an einer Höheren Fachschule studieren, sieht Franz Eberle in diesem Bereich ein nicht ausgeschöpftes Potenzial an künftig hochqualifizierten Fachkräften von rund 35 Prozent.
Kantonale Unterschiede bei den Maturitätsquoten
Insgesamt sind die festgestellten kantonalen Unterschiede bei den Maturitätsquoten nicht nur teilweise ungerecht, sondern sie stehen insgesamt auch in umgekehrter Relation zur Studienerfolgsquote und korrelieren mit der Studienabbruchquote. Daher plädiert der Autor für eine Harmonisierung der Aufnahmeverfahren für das Gymnasium bezüglich Selektivität und Qualität. Ergänzend sollten die Anforderungen beim Abschluss sowie der Promotionsbedingungen während der Ausbildung weiter harmonisiert werden. Das neue Maturitätsanerkennungsreglement (MAR/MAV, 2023) biete nun die formale Grundlage für eine bessere Vergleichbarkeit. Bei der Frage der Maturitätsquoten sei aber auch eine gute Balance zwischen den drei Maturitätstypen wichtig. Eine Erhöhung der gesamten Maturitätsquote sollte also nicht einfach über jene des Gymnasiums anzustreben sein; sie könne zudem insgesamt nur über eine Verlängerung der gesamten Ausbildungsdauer erreicht werden, ohne das Anforderungsniveau zu senken.
Franz Eberle, geboren 1955 in Flums, habilitierte 1996 an der Universität St. Gallen in Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik. 1999 erfolgte die Berufung an die Universität Zürich auf eine Professur für Gymnasial- und Wirtschaftspädagogik. Zwischen 1979 und 2001 war er immer auch wieder als Gymnasiallehrer tätig. In seiner Lehre und Forschung hat er systematisch Bezug auf die schulische Praxis genommen. Die Analyse des Übergangs an die Hochschulen ist sein wichtigster Forschungsschwerpunkt der letzten Jahre. Seine Emeritierung erfolgte 2019.