Berufsmessen eröffnen Perspektiven
Als Direktor der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung und Professor für Bildungsökonomie an der Universität Bern erforscht Stefan Wolter verschiedene Facetten des Bildungssystems. Im Interview spricht der Bildungsexperte unter anderem über den Einfluss von Berufswettbewerben auf die Berufswahl junger Menschen.

Welchen Einfluss haben Berufswettbewerbe wie die SwissSkills im September in Bern auf die Berufswahl junger Menschen?
Wir konnten diese Frage kürzlich wissenschaftlich untersuchen und zeigen, dass der Gewinn einer Goldmedaille das Interesse an dem ausgezeichneten Beruf signifikant steigern kann. Dies ist eine besonders interessante und wichtige Erkenntnis, da viele Medaillen in Berufen gewonnen werden, die vorher nicht zu den beliebtesten oder bekanntesten Berufen gehörten. Das bedeutet zum einen, dass solche Erfolge ein wirksames Instrument sind, um solche Berufe sichtbar zu machen. Zum anderen aber auch, dass Jugendliche, die in diesem Alter immer auf der Suche nach Vorbildern sind, in den Siegerinnen und Siegern von Berufsmeisterschaften solche Vorbilder finden. Die gute Botschaft aus dieser Forschung ist also, dass beruflicher Erfolg auch bei der heutigen Jugend zieht.
Seit 2006 prägen Sie den Bildungsbericht, der alle vier Jahre erscheint. Wie hat sich die Berufsbildung verändert?
Mit dem Bildungsbericht analysieren wir Makrotendenzen, wie die Verschiebungen zwischen den Bildungstypen Gymnasium, Fachmittelschule und berufliche Grundbildung oder beispielsweise den Trend zu mehr tertiärer Bildung, insbesondere bei Personen, die zuvor eine Berufslehre absolviert haben. Dies ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Denn die Berufsbildung befindet sich in einem permanenten Wandel, wenn man sich die hohe Reformdichte in den einzelnen Berufsbildern anschaut. Auch wenn solche Reformen von den Beteiligten immer viel abverlangen, zeigen sie doch, dass sich die Berufsbildung nicht auf ihren Lorbeeren ausruht.

Prof. Dr. Stefan C. Wolter ist Direktor der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung. Er hat Nationalökonomie und Psychologie an der Universität Bern studiert und ist Titularprofessor für Bildungsökonomie an der Universität Bern.
Die Berufswelt wandelt sich auch in den Geschlechterrollen. Wie erfolgreich sind Versuche, Jugendlichen Berufe des jeweils anderen Geschlechts näherzubringen?
Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden, da die einzelnen Massnahmen selten wissenschaftlich evaluiert werden. Betrachtet man die tatsächlichen Entscheidungen der Jugendlichen, so zeigt sich, dass die Berufswahl in den letzten fünfzehn Jahren nur marginal weniger geschlechtsspezifisch geworden ist. Mit Ausnahme der kaufmännischen Grundbildung finden sich unter den am häufigsten gewählten Lehrberufen sowohl bei den jungen Männern als auch bei den jungen Frauen nach wie vor mehrheitlich geschlechtsstereotype Berufe. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass alle Initiativen wirkungslos waren, da wir nicht wissen können, wie die Berufswahl heute aussähe, wenn nichts unternommen worden wäre.
Trotz offener Bildungswege glauben viele Eltern, nur der akademische Weg führe zum Erfolg. Was entgegen Sie ihnen, um die Berufsbildung schmackhaft zu machen?
Solche Eltern gibt es leider immer noch, obwohl die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems nicht nur auf dem Papier steht, sondern Realität ist. Die Möglichkeiten junger Menschen im tertiären Bildungsbereich hängen einzig und allein von ihrem Talent und ihrer Motivation ab und nicht davon, welchen Bildungsweg sie nach der obligatorischen Schulzeit gewählt haben. Ich begegne in meinem Berufsalltag als Direktor, aber auch als Professor immer wieder beruflich und akademisch erfolgreichen Kolleginnen und Kollegen, die mit einer Berufslehre ins Erwerbsleben gestartet sind.
Berufsmeisterschaften
Das SBFI unterstützt die Aktivitäten von SwissSkills. Die Stiftung, welche die Durchführung und Weiterentwicklung der Berufsmeisterschaften in enger Zusammenarbeit mit den Verbundpartnern fördert, erhält auf der Basis des Berufsbildungsgesetzes jährlich zwei bis drei Millionen Franken. Damit setzt sich der Bund zusammen mit den Berufsverbänden und den Kantonen für eine attraktive und zukunftsgerichtete Berufsbildung ein.
Bildungsforschung
Der Bildungsbericht Schweiz erscheint alle vier Jahre und bietet eine faktenbasierte Übersicht über Zustand, Entwicklungen und Herausforderungen des Schweizer Bildungssystems. Er wird von der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung im Auftrag von Bund und Kantonen erstellt und dient als Grundlage für bildungspolitische Entscheidungen, ohne konkrete Empfehlungen zu geben.
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