Start von Ariane 6: Beginn einer neuen Ära für die europäische Raumfahrt

Am 9. Juli 2024 ist die erste Trägerrakete vom neuen Typ Ariane 6 der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) in den Weltraum gestartet. Im neuen Trägerraketenprogramm sind auch Schweizer Akteure kompetente und verlässliche Partner.

11.07.2024
Autor/in: Kamlesh Brocard
Die Ariane 6 im Flug vor einem nächtlichen Himmel und mit einer Feuerspur im Rücken.
Start von Ariane 6 am 9. Juli 2024. Bild: ESA

Der erfolgreiche Start der ersten Trägerrakete vom Typ Ariane 6 am 9. Juli 2024 steht für die grossen europäischen Ambitionen im Raumfahrtsektor: Mit dem Abschuss vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch-Guayana begann eine neue Ära der Raumfahrttechnologie und der Weltraumforschung. Der Raketenstart ist nicht nur ein wichtiger Schritt zur Stärkung der strategischen Position Europas im Weltraumbereich, sondern stützt sich auch auf technische Neuerungen, die Europas Wettbewerbsfähigkeit, Unabhängigkeit und Innovationsfähigkeit in diesem sich rasch verändernden Sektor gewährleisten.

Eine vielseitige europäische Trägerrakete

Die Ariane 6 wurde so konzipiert, dass sie vielseitig einsetzbar und wettbewerbsfähig ist. So kann sie ein breites Spektrum an Nutzlasten auf unterschiedliche Umlaufbahnen transportieren. Mit ihren 62 Metern ist sie 7 Meter länger als ihre Vorgängerversion. Zudem weist sie mit A62 und A64 zwei verschiedene Konfigurationen für unterschiedliche Nutzlasten auf. Diese Flexibilität ist zentral, um auf die verschiedenen Bedürfnisse der kommerziellen und institutionellen Kundschaft eingehen zu können: Ariane 6 kann sowohl Telekommunikations- und Erdbeobachtungssatelliten auf ihre erdnahe Umlaufbahn als auch Satellitenkonstellationen und Satelliten für Forschungsmissionen in weiter entfernte Regionen des Weltraums befördern.

Eine Infografik mit den Abmessungen von sowie Fakten und Zahlen zur Ariane 6.
Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Ariane 6 in Zahlen. Bild: ESA

Kein Ariane-Start ohne Mitwirkung der Schweiz

Der erfolgreiche Start ist ein Beweis für die gelungene Zusammenarbeit zwischen europäischen Ländern, unter denen sich auch die Schweiz mit ihrer Industrie befindet. Die Schweiz ist eines der Gründungsmitglieder der ESA und hat sich von Anfang an am europäischen Trägerraketenprogramm beteiligt. Wie schon bei vorherigen Ariane-Raketen betrifft die Beteiligung der Schweiz insbesondere die Nutzlastverkleidung. Diese befindet sich an der Spitze der Trägerrakete und schützt die Satelliten auf der Startrampe sowie bei der Durchquerung der Atmosphäre in den ersten Minuten nach dem Start. Die entsprechende Technologie erforderte umfassendes Ingenieurwissen und viel Erfahrung aus anderen Bereichen. Das Unternehmen Contraves war eines der ersten in Europa, das Nutzlastverkleidungen zu entwickeln begann, und hat alle bisherigen 258 Ariane-Trägerraketen seit dem ersten Flug im Jahr 1979 ausgestattet. Heute produziert Contraves unter dem neuen Namen «Beyond Gravity» nicht nur die Nutzlastverkleidungen der Ariane, sondern auch anderer europäischer und amerikanischer Trägerraketen.

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Die Spitze der Ariane-6-Rakete in einer Produktionshalle.
Nutzlastverkleidung von Ariane 6 beim Zusammenbau. Bild: ESA

Das Unternehmen APCO Technologies AG in Aigle war an den bisherigen Programmen Ariane 5, Ariane 4, Soyouz und Vega beteiligt. Im Rahmen von Ariane 6 ist APCO Technologies für die Entwicklung der mechanischen Bodenausrüstung (Mechanical Ground Support Equipment, MGSE) zuständig. Zudem produziert das Unternehmen unter anderem die Transportbehälter, die Geräte für den Betrieb des oberen und des unteren Antriebswerks sowie für den ganzen oberen Teil der Trägerrakete. Des Weiteren wurde APCO mit der Entwicklung und Herstellung der oberen und unteren Befestigungssysteme für die Feststoffbooster (Equipped Solid Rocket, ESR) von Ariane 6 beauftragt.

Die Schweizer Beiträge zu Ariane 6 zeugen vom politischen Engagement und von der beständigen internationalen Zusammenarbeit der Schweiz im Hinblick auf die Sicherung eines autono­men Zugangs Europas zum Weltraum. Von der Beteiligung am Trägerraketen­programm profitiert auch die Schweiz, da hiesige Akteure damit ihre Kompetenzen im Bereich Spitzentechnologien festigen und ausbauen können.

Neue Entdeckungen im Weltraum

Auf ihrer ersten Reise führte Ariane 6 mehrere Satelliten und wissenschaftliche Ausrüstungen von kommerziellen Unternehmen, Weltraumagenturen und Universitäten mit sich. Es handelt sich mehrheitlich um Testmaterial, mit dem bewiesen werden soll, dass die entsprechenden Technologien im Weltraum funktionieren. Ausserdem wurden Wettersatelliten für die Erde oder das Sonnensystem sowie Instrumente zur Erforschung der Sonne und zur Durchführung anderer wissenschaftlicher Experimente entwickelt. Nicht alle dieser Missionen sollen im Weltraum umgesetzt werden: Einige der Ausrüstungen an Bord bleiben im oberen Modul von Ariane 6 befestigt und sammeln dort Daten während des ganzen Flugs, bis die Trägerrakete wieder auf der Erde landet.

Wie viele andere Missionen erweitern diese wissenschaftlichen Missionen unsere Kenntnisse in den unterschiedlichsten Bereichen und sind deshalb für Forschung und Industrie von grosser Bedeutung.

Die Ariane 6-Rakete auf ihrer Startrampe vor einem blauen und bewölkten Himmel.
Ariane 6 auf ihrer Startrampe im europäischen Weltraumbahnhof. Bild: ESA

Das europäische Ariane-Programm

Das Ariane-Programm wurde 1973 von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) ins Leben gerufen. Ziel war es, in Europa Trägerraketen und die entsprechenden Technologien zu entwickeln, ohne von den anderen Weltraummächten abhängig zu sein. Vor allem Ariane 5 war ein Symbol der technologischen und industriellen Fähigkeiten Europas. Dank ihr konnte sich Europa als regionale Weltraummacht etablieren. Seit 1996 und während mehr als einem Vierteljahrhundert führte Ariane 5 insgesamt 117 Transportflüge für Telekommunikations­satelliten sowie wissenschaftliche Missionen für kommerzielle und institutionelle Kunden durch. Dank ihrer Zuverlässigkeit und Vielseitigkeit war Ariane 5 anderen Trägerraketen techno­logisch überlegen und konnte zahlreiche Satelliten auf verschiedene Umlaufbahnen befördern.


Kontakt
Kamlesh Brocard, SBFI Wissenschaftliche Beraterin, Abteilung Raumfahrt kamlesh.brocard@sbfi.admin.ch +41 58 465 14 87
Autor/in
Kamlesh Brocard

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