Berichte und Evaluationen BFI-Politik

Schweizer Forschung und Innovation im internationalen Vergleich

Die Schweizer Forschung und Innovation ist im internationalen Kontext gut aufgestellt. Dies zeigt der Zwischenbericht 2022 «Forschung und Innovation in der Schweiz» in einem Vergleich mit ausgewählten Staaten weltweit und Innovationsregionen in Europa. Es gibt aber auch Herausforderungen, die es im Blick zu behalten gilt.

04.02.2022
Autor/in: Annette Kull
Arbeitssituation: Zwei Frauen diskutieren vor einem Computer-Bildschirm
Das Phänomen der «Leaky Pipeline» ist in der Schweiz nach wie vor ausgeprägt, obschon in den letzten Jahren eine Zunahme der Frauen bei Stellen der Stufe A (Professorenschaft oder Führungspersonal) zu verzeichnen war. Bild: Oliver Oettli

Neben einem Staaten- und Regionenvergleich anhand von Indikatoren enthält der Zwischenbericht 2022 «Forschung und Innovation in der Schweiz» in einem ersten Teil eine Beschreibung des Schweizer Forschungs- und Innovationssystems (F&I-System). Diese fasst unter anderem Eigenheiten und Stärken des Schweizer F&I-Systems zusammen. So spielt die Privatwirtschaft eine zentrale Rolle für die Schweizer Forschung und Innovation. Rund zwei Drittel der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten werden in der Schweiz von Grosskonzernen, aber auch von kleinen und mittleren Unternehmen finanziert und durchgeführt. Zu den Stärken gehören beispielsweise das differenzierte Bildungssystem mit berufsbezogenen und akademischen Bildungsangeboten, die effiziente F&I-Förderung durch die öffentliche Hand sowie die stabilen politischen Rahmenbedingungen. 

Vergleich mit ausgewählten Staaten weltweit

Im Staatenvergleich (China, Deutschland, Frankreich, Israel, Italien, Niederlande, Österreich, Schweden, Singapur, Südkorea, USA, Vereinigtes Königreich) ist die Schweiz bei vielen Indikatoren weit vorne. Gut bis sehr gut schneidet sie beispielsweise ab bei verschiedenen Indikatoren zu den Rahmenbedingungen (z.B. digitale Wettbewerbsfähigkeit, Steuerbelastung der Unternehmen) und weiter bei den Bildungsabschlüssen auf Tertiärstufe der 25- bis 34-Jährigen, den Publikationen und Patenten pro Million Einwohnerinnen und Einwohner sowie bei den Unternehmensneuheiten im Dienstleistungssektor. 

Schwächer präsentiert sich die Schweiz zum Beispiel bei den behördlichen Online-Diensten, den Patentanmeldungen in Prozent der Gesamtanmeldungen in den Informations-, Kommunikations- und Umwelttechnologien sowie bei den Marktneuheiten in der Industrie. 

Im Folgenden werden einzelne weitere Ergebnisse näher erläutert. 

Frauen in der Forschung
Bemerkenswert ist, dass die Schweiz 2019 im internationalen Vergleich mit 36% einen hohen Frauenanteil an der Gesamtzahl der Forschenden aufwies (Abbildung 1). Mit steigender Karrierestufe nimmt dieser aber kontinuierlich ab. 2020 betrug der Frauenanteil bei den Diplomierten mit Bachelorabschluss 54%, beim Masterabschluss 53%, bei den frisch Doktorierten 47% und auf der höchsten Stufe der Professorenschaft oder dem Führungspersonal (Stufe A) 26%. Daran zeigt sich das sogenannte «Leaky Pipeline»-Phänomen: mit steigender akademischer Position sinkt der Anteil Frauen; derjenige der Männer steigt (Abbildung 2). In den letzten Jahren erfolgte jedoch eine Zunahme des Frauenanteils bei Stellen der Stufe A (Professorenschaft oder Führungspersonal; 2015: 22%; 2017: 24%).

Abbildung 1: Frauenanteil an der Gesamtzahl der Forschenden, 2019
Abbildung 2: Frauen und Männer in der akademischen Laufbahn (UH, FH, PH) in der Schweiz, Studierende und Forschende, 2020

Internationale Vernetzung
Für ein kleines Land wie die Schweiz ist die internationale Vernetzung seiner Forschungs- und Innovationsakteure von besonderer Bedeutung. Die Schweiz schneidet bei den entsprechenden Indikatoren gut ab (z.B. Erfolgsquote der Projektvorschläge im Rahmen von Horizon 2020, Anteil der Publikationen und Patentanmeldungen in internationaler Zusammenarbeit, Anteil der ausländischen Studierenden). Auch künftig ist auf die internationale Offenheit und Vernetzung auf bi- und multilateraler Ebene ein besonderes Augenmerk zu richten. 

Vergleich mit europäischen Innovationsregionen

Die Gegenüberstellung von sechs innovationsorientierten Regionen von ähnlicher Grösse wie die Schweiz ergänzt den Staatenvergleich. Die Vergleichsregionen sind die beiden deutschen Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern, die italienische Region Lombardei-Piemont, die beiden französischen Regionen Rhônes-Alpes und Île-de-France (Grossraum Paris) sowie der Grossraum London. 

Der Regionenvergleich bestätigt die gute Position der Schweiz. Sie schneidet jedoch weniger gut ab als im entsprechenden Staatenvergleich. So relativiert sich beispielsweise die hohe Anzahl wissenschaftlicher Publikationen (Periode 2018–2020) und Anzahl Patente (Periode 2017–2020) je Einwohnerin bzw. Einwohner deutlich beim Vergleich mit den untersuchten Innovationsregionen, obwohl die Schweiz auch hier vorne lag. 

Auch bei der Forschungs- und Entwicklungs-Intensität (F&E-Aufwendungen in Prozent des BIP) schneidet die Schweiz im Regionenvergleich deutlich schlechter ab als im Staatenvergleich. So wies Baden-Württemberg im Jahr 2019 eine fast doppelt so hohe F&E-Intensität wie die Schweiz auf (Abbildung 3). 

Abbildung 3: F&E-Aufwendungen in Prozent des BIP nach Druchführungssektor, 2019

Fazit und Ausblick  

Im Vergleich mit der Langversion 2020 «Forschung und Innovation in der Schweiz» zeigt der Zwischenbericht 2022 bezüglich der internationalen Positionierung der Schweizer Forschung und Innovation kaum Veränderungen. Die Schweiz ist im Vergleich mit stark auf Forschung und Innovation ausgerichteten Staaten und Regionen nach wie vor gut aufgestellt. 

Um auch künftig im internationalen Wettbewerb vorne mit dabei zu sein, muss die Schweiz den Stärken ihres F&I-Systems Sorge tragen, wie beispielsweise dem differenzierten Bildungssystem mit berufsbezogenen und akademischen Bildungsangeboten, der effizienten F&I-Förderung sowie den stabilen politischen Rahmenbedingungen. Zudem muss sie auch weiterhin verschiedene Herausforderungen im Blick behalten: So gilt es insbesondere, die Einbindung der nationalen F&I-Akteure in nationale und internationale Kooperationen zu bewahren und zu fördern. Für ein kleines Land wie die Schweiz sind internationale Vernetzung und Kooperation von zentraler Bedeutung. Sie ermöglichen Schweizer Akteuren Zugang zu wichtigen internationalen Infrastrukturen und Netzwerken und bringen allen beteiligten Ländern wissenschaftlichen, technologischen und wirtschaftlichen Nutzen. 

Bericht «Forschung und Innovation in der Schweiz»

Der Bericht «Forschung und Innovation in der Schweiz» (F&I-Bericht) zeigt die Leistung des Schweizer Forschungs- und Innovationssystems und trägt zu einem besseren Verständnis der Schweizer F&I-Landschaft bei. Die Erkenntnisse des Berichts dienen als eine Grundlage für die Erarbeitung der jeweils auf vier Jahre angelegten Botschaften des Bundesrats zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation.

Er ist 2016 zum ersten und 2020 zum zweiten Mal erschienen. Bei der Ausgabe 2022 handelt es sich um einen Zwischenbericht, der deutlich kürzer ist als die Langversionen 2016 und 2020. Nach dieser Publikation werden Konzept und Inhalt einer künftigen F&I-Berichterstattung analysiert und neu festgelegt. 

Der F&I-Bericht richtet sich an die für die Steuerung des BFI-Systems zuständigen Akteure aus Politik und Verwaltung. Zum Zielpublikum zählen auch F&I-Förderinstitutionen und Bildungsinstitutionen sowie alle interessierten Personen, Organisationen und Unternehmen im In- und Ausland. Der Bericht kann auf der Website des SBFI bestellt werden.


Kontakt
Annette Kull, SBFI Projektverantwortliche, Ressort BFI-Systemsteuerung annette.kull@sbfi.admin.ch +41 58 462 21 49
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Annette Kull