Forschungsinfrastrukturen Internationale Zusammenarbeit

Professor Thomas Feurer übernimmt Vorsitz der Geschäftsführung des European XFEL

Ende Februar 2023 hat der Rat des European XFEL Prof. Thomas Feurer von der Universität Bern zum neuen Vorsitzenden der Geschäftsführung gewählt. Die Forschungsanlage European XFEL in Hamburg wurde 2017 in Betrieb genommen. Sie erzeugt hochintensive und ultrakurze Lichtimpulse im Röntgenbereich.

18.08.2023
Autor/in: Laurent Salzarulo
Extrem intensiver Röntgenstrahl, erzeugt am European XFEL
Extrem intensiver Röntgenstrahl, erzeugt am European XFEL. Bild: European XFEL / Jan Hosan

Prof. Thomas Feurer, derzeit Leiter des Instituts für Angewandte Physik an der Universität Bern, übernimmt am 1. Januar 2024 für eine fünfjährige Amtszeit den Vorsitz der Geschäftsführung des European XFEL. Damit tritt er die Nachfolge des Dänen Robert Feidenhans’l an, der die Organisation erfolgreich durch die Inbetriebnahme und Öffnung der Anlage für Nutzerinnen und Nutzer im Jahr 2017 und danach durch eine schwierige Zeit geführt hat, die zunächst von der Covid-19-Pandemie und anschliessend vom Krieg in der Ukraine und den aktuellen Konjunkturschwankungen geprägt war.

Aussicht auf neue Erkenntnisse in unterschiedlichsten Bereichen

Der European XFEL ist der weltweit grösste Röntgenlaser. Die Anlage erzeugt extrem kurze Lichtblitze – wenige Billiardstel Sekunden –, mit denen dreidimensionale Aufnahmen von Materialien auf atomarer Ebene erstellt oder chemische Reaktionen gefilmt werden können. Die am European XFEL durchgeführten Forschungen eröffnen ein breites Spektrum wissenschaftlicher Anwendungen in verschiedensten Bereichen wie der Medizin, der Energieproduktion und -speicherung, der Untersuchung von Materie in extremen Zuständen oder der Datenspeicherung.

Beteiligung der Schweiz

Entstanden ist die Organisation durch ein internationales Abkommen, das von zwölf Staaten, darunter auch der Schweiz, unterzeichnet wurde. 2009 wurde in Schenefeld bei Hamburg mit dem Bau des European XFEL begonnen, heute beschäftigt die Institution über 500 Personen. Die Schweiz verfügt am Paul Scherrer Institut über einen eigenen Laser (SwissFEL), der den European XFEL ergänzt.

Dank dem parallelen Bau der beiden Infrastrukturen konnte die Schweiz einerseits ihre Kompetenzen in diesem Bereich erheblich ausbauen, andererseits ergaben sich bedeutende Synergien zwischen den beiden Projekten. Forschende aus der Schweiz gehören heute zu den aktivsten Nutzerinnen und Nutzern des European XFEL.

Die Ernennung von Thomas Feurer zum Vorsitzenden des European XFEL zeugt von der rasanten Entwicklung der Photonenforschung in der Schweiz in den vergangenen zehn Jahren und stärkt die bereits engen Beziehungen zwischen der Schweiz und dem European XFEL. Überdies zeigt sie, dass die Schweiz im Bereich der Forschungsinfrastrukturen nach wie vor stark mit dem Europäischen Forschungsraum (EFR) verknüpft ist, trotz der fehlenden Assoziierung der Schweiz an Horizon Europe und ihres Ausschlusses von den Steuergremien des EFR, namentlich vom Europäischen Strategieforum für Forschungsinfrastrukturen (European Strategy Forum on Research Infrastructures, ESFRI). Der gemeinsame Bau und Betrieb von Forschungsinfrastrukturen durch die europäischen Länder bildet eine solide Grundlage für die Zusammenarbeit, die Einbindung und die Vernetzung von Forschenden auch ausserhalb der EU-Institutionen.

Foto von Thomas Feurer

Nach einem Physikstudium an der Universität Würzburg (DE) war Thomas Feurer in mehreren Forschungsstellen an der Universität Jena und anschliessend am MIT tätig, bevor er 2004 zum Professor an der Universität Bern ernannt wurde. Zwischen 2010 und 2022 leitete er zusammen mit Prof. Ursula Keller (ETHZ) den Nationalen Forschungsschwerpunkt MUST (Molecular Ultrafast Science and Technology). Seit der Gründung im Jahr 2019 präsidiert er die Swiss Society for Photon Science SSPh. Thomas Feurers Interesse gilt ausserdem der Wissenschaftskommunikation, der er einen grossen Teil seiner Zeit widmet.

Professor Feurer, Sie wurden am 28. Februar 2023 durch den Rat des European XFEL zum Vorsitzenden der Geschäftsführung ernannt. Damit wechseln Sie Beruf und Arbeitsort. Was werden Sie vermissen und worauf freuen Sie sich besonders?

Privat werde ich am meisten Bekannte, Freunde und die einzigartigen Berner Landschaften vermissen. Beruflich wird mir der Umgang und Austausch mit den Studierenden fehlen. Grosse Vorfreude empfinde ich beim Gedanken, die Entwicklung dieser einzigartigen Forschungsinfrastruktur hautnah miterleben und mitgestalten zu dürfen.

Wie sehen Sie Ihrem Amtsantritt am 1.1.2024 entgegen?

Entspannt und voller Ideen, aber mit einer gesunden Portion Respekt. Kurzfristig wird es darauf ankommen, mich schnell und umfassend mit den neuen Aufgaben vertraut zu machen. Langfristig möchte ich dazu beitragen, den European XFEL nachhaltig in der Europäischen Forschungslandschaft zu verankern und der Wissenschaftsgemeinde auch weiterhin einzigartige experimentelle Möglichkeiten für ihre Spitzenforschung zur Verfügung zu stellen.

Welche besonderen Projekte wollen Sie als Direktor angehen?

Eine nachhaltige und zielgerichtete Weiterentwicklung der experimentellen Möglichkeiten und eine kontinuierlich angepasste Unterstützung der Nutzergemeinde. Dies kann nur mit einem international aufgestellten Team herausragender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erreicht werden. Zudem ist mir ein wachsender Beitrag zu gesellschaftlich relevanten Forschungsthemen ein wichtiges Anliegen.

«In der Grundlagenforschung an European XFEL erwarte ich bahnbrechende Arbeiten in den nächsten Jahren.»

Was kann man von der auf der XFEL basierenden Forschung in den nächsten Jahren erwarten?

In der Grundlagenforschung erwarte ich bahnbrechende Arbeiten, beispielsweise zur Struktur und Funktion biologisch relevanter Bausteine oder zum grundlegenden Verständnis neuer Materialien, auch im Hinblick auf deren Anwendungen. Darüber hinaus wird die nachhaltige Entwicklung der Infrastruktur selbst, wie schon in der Vergangenheit, zu einer Reihe kommerziell umsetzbarer Innovationen führen. Es freut mich natürlich besonders, dass Schweizer Forschende auf nahezu allen Gebieten, die am European XFEL erforscht werden, prominent vertreten sind.

Was wünschen Sie sich als künftiger Direktor des European XFEL von der Schweiz?

Ich wünsche mir, die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit allen beteiligten akademischen und nicht-akademischen Schweizer Institutionen fortgesetzt und, wo sinnvoll, ausgebaut zu sehen. Darüber hinaus hoffe ich, dass sich die finanziellen und intellektuellen Beiträge der Schweiz auch künftig in herausragenden wissenschaftlichen Ergebnissen manifestieren.


Kontakt
Laurent Salzarulo, SBFI Stv. Leiter Ressort Internationale Forschungsorganisationen laurent.salzarulo@sbfi.admin.ch +41 58 483 95 87

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