Swissnex unterstützt Schweizer Start-ups bei der Expansion in den indischen Markt
Jonas Brunschwig, CEO von Swissnex in Indien, Swetha Suresh, Head of Innovation von Swissnex Indien und die beiden Start-up-Gründer Saurabh Tembhurne und Sebastian Dümcke sprechen über die Internationalisierung von Schweizer Start-ups.
Swissnex ist das globale Schweizer Netzwerk, das die Schweiz in Bildung, Forschung und Innovation mit der Welt verbindet. Welches sind die aktuellen Prioritäten und Schwerpunktbereiche von Swissnex in Indien?
Jonas Brunschwig: Unsere oberste Priorität für die nächsten Jahre ist, die schweizerisch-indische Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation, die derzeit aus vielen einzelnen, eher ad-hoc aufgebauten Verpflichtungen besteht, zu grösseren, strategischeren Partnerschaften auszubauen. Aktuell ist Swissnex in Indien in eine Reihe von Programmen, Tätigkeiten und Finanzierungsinstrumenten eingebunden, die relativ unabhängig voneinander sind. Unser Ziel ist es, diese besser aufeinander abzustimmen, damit wir wirkungsvollere schweizerisch-indische Partnerschaften entwickeln können. Dies bedingt eine engere Zusammenarbeit mit:
- dem Schweizer Netzwerk in Indien, das aus der Botschaft, dem Swiss Business Hub, der DEZA und der schweizerisch-indischen Handelskammer besteht;
- systemischen Partnern in der Schweiz wie dem Schweizerischen Nationalfonds, Innosuisse und dem Leading House (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, ZHAW);
- institutionellen wissenschaftsfördernden Partnern in Indien, beispielsweise mit dem Department of Science and Technology und dem Department of Biotechnology; Forschungsinstitutionen wie dem Indian Institute of Science, dem National Centre for Biological Sciences (NCBS) und der Indian School of Business sowie mit Impulsgebern und Start-up-Förderern wie C-CAMP und WeHub.
Swetha Suresh: Wir fahren aktuell zweigleisig: Einerseits konzentrieren wir uns auf thematische Schwerpunkte wie Gesundheit, Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Andererseits legen wir Wert darauf, dass nicht alle unsere Aktivitäten thematisch fixiert sind. Damit wollen wir sicherstellen, dass für alle Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Indien bestehen, und nicht nur für jene, die zu unseren Schwerpunktbereichen passen.
Was können Sie Ihrer Ansicht nach durch die Arbeit bei Swissnex konkret erreichen?
Jonas Brunschwig: Indien ist in der Schweiz weiterhin ein weniger bekanntes Land, wenn es um Wissenschaft und Technologie geht. Teil unserer Arbeit ist es, aufzuzeigen, dass Indien in der Wissensökonomie eine wichtige Rolle spielt und dass es sich für die Schweiz lohnt, sich mehr damit zu befassen. Je besser uns dies gelingt, umso einfacher wird es sein, die Aufmerksamkeit vermehrt auf Indien zu lenken. Wir sehen, dass Gäste, die das Land zum ersten Mal besuchen, oft erstaunt sind über das hohe Niveau hier. Dies ermutigt uns.
Swetha Suresh: Spezifisch in Bezug auf Schweizer Start-ups stellen wir eine Entwicklung hin zu mehr marktreifen Innovationen fest. Wir sehen, dass sie Indien nicht nur als Markt wahrnehmen, sondern auch als Tech- und Produktentwicklungspartner heranziehen.
Welche grösseren Herausforderungen sehen Sie in den nächsten Jahren?
Jonas Brunschwig: Wir haben ein sehr starkes Schweizer Netzwerk in Indien und tun viel dafür, unsere Bemühungen mit Stakeholdern aus der Schweiz und Indien abzustimmen. Das ist keine leichte Aufgabe, die von einem Tag auf den andern erledigt ist, aber es ist eine spannende Herausforderung für uns.
Swetha Suresh: Gleichzeitig sind nicht alle unsere Herausforderungen direkt mit unserer Arbeit verbunden. Geopolitische Entwicklungen können rasch zu grossen Herausforderungen werden, wie der Ukraine-Krieg zeigt. Wertbasierte Entscheidungen können ein Land dazu zwingen, Position zu beziehen.
Swissnex Netzwerk
Swissnex, das weltweite Schweizer Netzwerk für Bildung, Forschung und Innovation, ist eine Initiative des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation und Teil des Aussennetzes des Bundes unter der Federführung des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten. Die Tätigkeiten von Swissnex gründen auf einem kooperativen Ansatz sowie öffentlich-privaten Partnerschaften und Finanzierungen.
Wie unterstützen Sie Schweizer Start-ups dabei, das Potenzial ihrer Präsenz in Indien voll auszuschöpfen?
Swetha Suresh: Für Schweizer Unternehmen ist die Expansion nach Indien eine Herausforderung, weil das Land so viele verschiedene Facetten hat. Wir helfen ihnen bei der Markterkundung, der Marktvalidierung und beim Markteintritt. Die Erkundung gelingt am besten unter Gleichgesinnten, weshalb wir das Academia Industry Training (AIT) anbieten. In diesem Programm lernen zehn schweizerische und zehn indische Innovatorinnen bzw. Innovatoren – nicht nur von Expertinnen und Experten, sondern auch von Peers –, wie der Sektor funktioniert und welche kulturellen Kosten internationale Geschäftstätigkeiten mit sich bringen. Sind die Start-ups weiter ausgereift, bieten wir über die Internationalisierungscamps von Innosuisse massgeschneiderte individuelle Unterstützung. Dazu gehören Kontakte für den Wissensaustausch und potenzielle erste Kundinnen und Partner, die für das Start-up-Geschäft wichtig sind.
Die unglaubliche Vielfalt, die Marktgrösse und die Geschäftsansätze Indiens sind gleichzeitig eine Herausforderung und eine Chance. Ob es um einen Testmarkt für neue Technologien, die Suche nach einem Tech-Mitentwickler oder den Markt an sich geht – Indien hat immer etwas zu bieten! Abgesehen davon kann keine Geschäftseinheit pfannenfertige Lösungen für ähnliche Ergebnisse in allen Märkten versprechen – ein Verständnis der lokalen Bedingungen ist ein Muss. Swissnex Indien ist ein verlässlicher Partner mit umfassenden Kenntnissen des indischen Marktes. Seit 2013 haben über 60 Schweizer Start-ups über unsere verschiedenen Programme von einem Mentoring profitiert.
SoHHytec
SoHHytec hat einen «künstlichen Baum» namens Arb entwickelt, der Sonnenlicht und Wasser als Eingangsressourcen nutzt, um vor Ort Wasserstoff zu produzieren. Im AIT Programm 2016 eignete sich SoHHytec Wissen über den wachsenden Markt für die umweltfreundliche Wasserstoffproduktion in Indien an. Dank dem Marktvalidierungscamp 2019 konnte es anschliessend eine Zusammenarbeit mit Energie- und Stahlunternehmen eingehen. Dadurch realisierte das Start-up, dass zwar vonseiten der Kundschaft Interesse besteht, es aber die Lieferkette und die Installation regeln und das Geschäftsmodell validieren lassen musste. Für die Validierung baute SoHHytec anschliessend eine Partnerschaft mit einem Energieinstitut auf. Das Markteintrittscamp 2022 brachte dem Unternehmen neue Zulieferer-Partnerschaften, die die Grundlage für Installationen an weiteren Standorten bilden.
Was macht Ihr Start-up?
Saurabh Tembhurne: SoHHytec liefert erneuerbare Systeme für die Vor-Ort-Produktion von Ökostrom. Bei unserer an der EPFL entwickelten geschützten Technologie handelt es sich um eine thermisch unterstützte photoelektrochemische Katalyse, die den Wirkungsgrad der Umwandlung von Sonnenenergie in Wasserstoff um das Doppelte steigert. Damit kann sie in grossem Umfang eingesetzt werden.
Wie profitiert Ihr Schweizer Start-up von den Programmen, die Swissnex Indien anbietet?
Swissnex Indien hat uns von Anfang an enorm unterstützt. 2016 haben wir am Academia Industry Training teilgenommen, dank dem wir die Machbarkeit einer Einführung in Indien besser beurteilen konnten. In den Marktvalidierungs- und Markteintrittscamps von Innosuisse hat uns Swissnex geholfen, zur richtigen Zeit mit den richtigen Menschen in Kontakt zu treten und unser Angebot im breiteren Kontext des indischen Marktes für grüne Energie zu positionieren. Wir haben Unterstützung in verschiedenen Bereichen erhalten, von der Vernetzung über die lokale Strategieplanung und die Regelung von Fragen zum geistigen Eigentum bis zur lokalen Anpassung der Produktion.
Welches sind die Besonderheiten des indischen Marktes? Und welche Chancen bietet dieser für Ihr Unternehmen?
Indien bemüht sich um einen Ausbau des Anteils der erneuerbaren Energien und räumt der Dekarbonisierung hohe Priorität ein, weshalb das Land enorme Möglichkeiten für unsere Technologie bietet. Die Stahl-, Zement- und Düngerproduktion sowie die Bereiche Mobilität und Netzenergiespeicherung gehören zu den Bereichen, die mithilfe unserer Technologie rasch entkarbonisiert werden könnten.
Clemedi
Clemedi entwickelt In-vitro-Tests zur Diagnostizierung von antibiotikaresistenten Infektionen, speziell für Tuberkulose (TB). Da Indien weltweit die meisten arzneimittelresistenten TB-Patientinnen und -Patienten aufweist, ist diese Erfindung für den indischen Markt von grosser Bedeutung. Dank dem AIT 2017 verstand Clemedi, welche Spezifikationen und Vorschriften erforderlich sind und wie der derzeitige Goldstandard für die Technologieentwicklung in Indien aussieht. Das Marktvalidierungscamp 2019 ermöglichte Clemedi, verschiedene solide Partnerschaften in die Wege zu leiten, um Zugang zu Proben zu erhalten und Tests anzubieten. Dies spielte eine wichtige Rolle bei der Konzeption und der Entwicklung des Diagnoseverfahrens. Überdies konnte Clemedi eine Evaluationsvereinbarung mit einem grossen indischen Diagnoselabornetzwerk abschliessen. Das Team reiste anschliessend 2022 für das Markteintrittscamp nach Indien und handelte Vereinbarungen mit Lieferanten aus, womit das Unternehmen in der Lage war, einen Clemedi-Baukasten mit allen Reagenzien zum Verkauf anzubieten.
Was macht Ihr Start-up?
Sebastian Dümcke: Clemedi entwickelt Diagnoseverfahren für Infektionskrankheiten, bei denen DNA-Sequenzierung der neusten Generation mit künstlicher Intelligenz kombiniert werden. Unser erstes Produkt ist ein Tuberkulose-Diagnosetest. Für Indien, auf das ein Drittel der weltweiten Fälle von arzneimittelresistenter Tuberkulose entfallen, hat das Thema eine hohe Relevanz. Unser Test kann innerhalb von 48 Stunden Resistenzen gegen zwölf Antibiotika prognostizieren, so dass die Ärzteschaft von Anfang an die richtige Antibiotikabehandlung wählen kann.
Wie profitiert Ihr Schweizer Start-up von den Programmen, die Swissnex in Indien anbietet?
In der Entwicklungsphase ermöglichten uns Programme wie das AIT und das Marktvalidierungscamp von Innosuisse, einen Einblick in das indische Start-up-Ökosystem und in Starthelfer wie C-CAMP zu gewinnen sowie erste Kontakte in unserem Interessengebiet zu knüpfen. Dank der grosszügigen Reisestipendien von Swissnex konnten wir durch Treffen vor Ort persönliche Beziehungen aufbauen. Wir konnten uns auch ein erstes Bild des indischen Gesundheitsmarktes, der Aufteilung zwischen öffentlichem und privatem Sektor usw. machen. Nach der Markteinführung unseres Produkts in Europa half uns das Markteintrittscamp von Innosuisse, potenzielle Kundinnen und Kunden zu gewinnen und unsere Wertschöpfungskette in Indien im Detail zu analysieren.
Welches sind die Besonderheiten des indischen Marktes? Und welche Chancen bietet dieser für Ihr Unternehmen?
Wir konnten uns vergewissern, dass für Tuberkulose in Indien – im Gegensatz zur Schweiz – ein hoher medizinischer Bedarf vorhanden ist und dass unser Produkt zum Markt passt. Ausserdem ist uns klar geworden, dass wir zuerst den privaten Gesundheitsmarkt anpeilen müssen, wo die Patientinnen und Patienten die Kosten für die Tests selber bezahlen. Bei unserem letzten Besuch in Indien ermittelten wir sechs führende Institutionen, die an unserem Produkt interessiert sind, darunter zwei der vier grössten panindischen Spitalketten. Durch die Kontakte über Swissnex konnten wir uns auch damit vertraut machen, wie wir eine Importlizenz für unsere Produkte erlangen können. Zuletzt hatten wir die Gelegenheit, mit Ärztinnen und Ärzten einer grossen indischen Spitalkette zu sprechen, was uns neue Erkenntnisse darüber brachte, wie unser Produkt zu den Patientinnen und Patienten gelangen wird.