Das Silicon Valley: wo verkörperte KI Gestalt annimmt
Im Silicon Valley vergeht kaum eine Woche, ohne dass neue Erkenntnisse und Durchbrüche in der Robotik verkündet werden ‒ von jungen Start-ups bis hin zu etablierten Unternehmen. Die Verbindung von künstlicher Intelligenz (KI) und fortschrittlicher Hardware hat ein neues Zeitalter eingeläutet, das viele bereits als Renaissance der Robotik bezeichnen. Seit Oktober 2025 ist auch Swissnex in San Francisco Teil dieser Entwicklung.
Im Oktober 2025 brachte das Swissnex-Programm Embodied Intelligence: Brains, Bots & Borderless Innovation neun Schweizer Forschende sowie Gründerinnen und Gründer für eine Woche in die San Francisco Bay Area. Vor Ort vernetzten sie sich mit lokalen Universitäten, Start-ups, Unternehmen sowie Investorinnen und Investoren. Die diskutierten Themen reichten von der Autonomie humanoider Roboter und der Steuerung von Laufrobotern über Flugrobotik bis hin zu Bauautomatisierung. Trotz dieser Vielfalt verfolgten alle Teilnehmenden dasselbe Ziel: zu verstehen, wie sich intelligente Maschinen entwickeln – und wie sie Menschen und Unternehmen künftig unterstützen können.
Renaissance der Robotik
Die Bay Area ist heute ein lebendes Labor für das, was der CEO von NVIDIA, Jensen Huang, Physical AI nennt: den Moment, in dem lernende Systeme physische Gestalt annehmen oder Roboter mit leistungsfähigen neuen KI-Modellen ausgestattet werden. Gleichzeitig hat sich die Schweiz in aller Stille zu einem der weltweit dichtesten Robotikzentren entwickelt. Hier sind nicht nur die ETH Zürich und die ETH Lausanne beheimatet, sondern auch das Dalle Molle Institute for Artificial Intelligence (IDSIA), die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) sowie zahlreiche Start-ups wie ANYbotics, RIVR, Flyability SA und viele weitere.
Das Programm Embodied Intelligence schafft eine Verbindung zwischen den beiden Innovationshubs Schweiz und Silicon Valley. Eine Woche lang tauschte sich die Schweizer Delegation mit Forschenden der Stanford University aus, besuchte Unternehmen, die die Grenzen der Robotik-Autonomie ausloten, und diskutierte mit Investoren und Unternehmern aktuelle Herausforderungen und Chancen auf dem Markt genauso wie gesellschaftliche Auswirkungen der Robotik. Das Format war teils eine Lernexpedition, teils eine Reflexion darüber, was «Intelligenz» bedeutet, wenn Roboter ihre Fähigkeiten von der Fabrik in die reale Welt übertragen.
Bewegter Austausch
Während der gesamten Woche kreisten die Gespräche um dieselben zentralen Fragen: Wie lassen sich die generativen Fähigkeiten von KI mit der physischen Steuerung verbinden? Wie können Roboter sicher in menschlicher Umgebung getestet werden? Und wie gelingt der Schritt von beeindruckenden Prototypen zu zuverlässigen Produkten? Bei den Besuchen der Schweizer Delegation im Stanford Robotics Center und in den Movement Labs ‒ Einrichtungen zur Erforschung von Bewegung und Wahrnehmung ‒ sowie bei Unternehmen der Bay Area wie OpenAI, Physical Intelligence und Skydio standen vor allem neue Perspektiven und Wissensaufbau im Fokus.
Der Austausch verlief dabei in beide Richtungen. Eine gemeinsam mit AI Insiders organisierte Swissnex-Veranstaltung brachte Stimmen aus der Schweiz und den USA auf einer Bühne zusammen: Investorinnen und Investoren, Gründerinnen und Gründer sowie Forschende diskutierten darüber, was Hype und was real ist und wie Investitionen in die Robotik im kommenden Jahrzehnt aussehen sollen. Dabei zeigte sich: Begeisterung und Kapital sind zweifellos vorhanden – doch die Umsetzung von Innovation in konkrete, robuste Anwendungen erfordert weiterhin Zeit, Geduld und enge Zusammenarbeit.
Die menschliche Dimension
Ein roter Faden in allen Diskussionen war die menschliche Dimension. Robotik dreht sich längst nicht mehr nur um mechanische Fähigkeiten, sondern um das Zusammenleben von Mensch und Roboter – sowohl in Fabriken und Lagerhallen als auch zunehmend im Alltag, vom Staubsaugerroboter bis zum selbstfahrenden Auto. Wie lassen sich Roboter entwickeln, die soziale Codes verstehen, physische Räume mit uns teilen und das menschliche Wohlbefinden fördern?
«Die verkörperte Intelligenz ist nicht nur eine technische, sondern auch eine ethische und kulturelle Herausforderung.»
Diese Überlegungen wurden in einem Zukunftsworkshop des Institute for the Future vertieft. Die Teilnehmenden zeichneten absehbare «Signale» für das kommende Jahrzehnt der Robotik auf – von Regulierung und Veränderungen in der Arbeitswelt bis hin zu neuen Vorstellungen von Vertrauen und Sinn. Der Workshop zeigte, dass vorausschauendes Denken ebenso wichtig ist wie technische Fähigkeiten, um über die unmittelbare Problemlösung hinauszugehen.
Nicht nur ein Schaufenster, sondern eine Brücke
Für Swissnex in San Francisco ist Embodied Intelligence Teil eines umfassenderen Bestrebens, Brücken zwischen der Schweiz und den nordamerikanischen Innovationsökosystemen zu schlagen. Die Woche war Experiment und Katalysator zugleich: Sie bot Schweizer Forschenden die Gelegenheit, ihre Arbeit und Projekte vorzustellen, in die dynamische Szene der Bay Area einzutauchen und von ihr zu lernen. Gleichzeitig konnten die lokalen Partner die Präzision und Sorgfalt der Schweizer Roboterszene kennenlernen.
Es entstanden neue Erkenntnisse, neue Netzwerke und erste Kooperationen, die wahrscheinlich weit über diese eine Woche hinausreichen werden. «Was diesen Ort so besonders macht», sagte ein Teilnehmer, «ist nicht die Technologie selbst, sondern die Konzentration von Talenten.»
Wenn Roboter lernen, sich autonomer zu bewegen und mit der Welt zu interagieren, wird die eigentliche Bewährungsprobe darin bestehen, wie die Gesellschaft sie integriert. Programme wie Embodied Intelligence bieten einen Ort, an dem darüber diskutiert werden kann, welchen Platz und welchen Zweck die Technologie in unserem Leben haben wird.
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