Chancengerechtigkeit in Bildung, Forschung und Innovation in der Schweiz

In der Schweizer Bildungs-, Forschungs- und Innovationspolitik (BFI) gibt es Themen, die über alle Bereiche hinweg von grosser Bedeutung sind. Eines davon ist die Chancengerechtigkeit. Ein kurzer Überblick über die entsprechenden Aktivitäten der BFI-Akteure.

24.05.2024
Autor/in: Larissa Erdmann
Eine Frau in weissem Kittel mit Schutzbrille und Handschuhen arbeitet in einem Labor.
Im Schweizer Bildungs-, Forschungs- und Innovationsbereich soll jede Person ohne Benachteiligung ihr Potenzial entfalten können. Bild: Oliver Oettli

Chancengerechtigkeit ist ein Verfassungsauftrag: Die Bundesverfassung hält fest, dass die Schweiz für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern zu sorgen hat – das gilt auch für den Bildungs-, Forschungs- und Innovationsbereich. Gestützt auf diese und weitere gesetzlichen Grundlagen wird für den Bildungsraum Schweiz das Ziel verfolgt, Ungleichheiten zu vermeiden und die Chancengerechtigkeit im BFI-System zu fördern. Soll heissen, dass jede Person ohne Benachteiligung ihr Potenzial entfalten kann und nicht aufgrund von Eigenschaften wie Geschlecht, Herkunft, Alter, Behinderung u.a. benachteiligt werden darf.

Chancengerechtigkeit ist eines von vier transversalen Themen, die über alle BFI-Förderbereiche hinweg relevant sind (vgl. Kasten unten). Sie bilden den Gegenstand der strategischen Mehrjahresplanungen der Akteure im BFI-Bereich (Akademien der Wissenschaften Schweiz, Eidgenössische Hochschule für Berufsbildung, ETH-Rat, Innosuisse, Schweizerischer Nationalfonds, swissuniversities). Sie setzen zahlreiche Massnahmen für mehr Chancengerechtigkeit um. Im Folgenden werden einige Aktivitäten aufgeführt.

Beispiele für Aktivitäten im Bereich Berufs- und Weiterbildung: 

viamia

viamia ist ein kostenloses Angebot für die berufliche Standortbestimmung, welches Personen ab 40 Jahren in der ganzen Schweiz zur Verfügung steht. Es fördert Ein-, Um- und Wiedereinstiege im ganzen Bildungssystem, zum Beispiel Stellensuchende, die sich zuvor der Kinderbetreuung gewidmet haben. Diese Massnahme trägt auch dazu bei, das inländische Arbeitskräftepotenzial besser auszuschöpfen.

Eine Frau in einem bunten T-Shirt im Gespräch mit einem Mann in schwarzem T-Shirt vor einem Regal mit Broschüren.
Berufliche Standortbestimmung hilft Stellensuchenden beim Wiedereinstieg im Bildungssystem. Bild: Monique Wittwer

Berufsbildung 2030

Die Initiative Berufsbildung 2030 befasst sich in einem Projekt mit dem Zugang von gehörlosen und hörbehinderten Menschen zur beruflichen Grundbildung. In einem aktuellen Bericht wird auf bereits bestehende Hilfestellungen und Optimierungen hingewiesen.

Grundkompetenz Erwachsener

Der Bund setzt sich gemeinsam mit den Kantonen für die Förderung der Grundkompetenzen Erwachsener ein. Grundkompetenzen ermöglichen die berufliche, soziale, politische und kulturelle Teilhabe. 

Eine Frau in einem weissen T-Shirt vor einem Laptop in einer Klasse für Erwaschsene.
Grundkompetenzen ermöglichen die aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sowie dem beruflichen Alltag. Bild: Monique Wittwer

Beispiele für Aktivitäten im Bereich MINT: 

Vernetzung und Förderung

MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Verschiedene Aktivitäten zielen auf die Motivation und Förderung von Frauen im MINT-Bereich ab – zum Beispiel durch Vernetzung oder Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Auch Kinder und Jugendliche sollen für die MINT-Fächer begeistert werden, insbesondere Mädchen und Kinder aus bildungsfernen oder sozial benachteiligten Milieus. Aktiv sind zum Beispiel die swissTecLadies der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaft (SATW) mit ihrem Netzwerk oder Mentoring-Programm für junge Frauen.

Eine junge Frau mit langen schwarzen Haaren steuert einen Gabelstapler.
Bei der MINT-Förderung sollen unter anderem junge Mädchen und Frauen für MINT-Fächer und -Berufe begeistert werden. Bild: Monique Wittwer

Beispiele für Aktivitäten im Bereich Monitoring: 

Swissuniversities und Bildungsbericht Schweiz

Die Chancengerechtigkeit durchläuft auf nationaler und internationaler Ebene regelmässig systematisches Monitoring, zum Beispiel im Bildungsbericht Schweiz, oder mittels swissuniversities Gender Monitoring.

Beispiele für Aktivitäten im Bereich Forschung und Innovation:

SNSF Professorial Fellowship

Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) legt einen besonderen Fokus auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Chancengerechtigkeit zwischen jüngeren und älteren Forschenden sowie die Entfaltung des Potenzials untervertretener Gruppen in der Forschung, insbesondere Frauen. Zu den Förderungsmassnahmen gehört zum Beispiel das SNSF Professorial Fellowship: Zu der unabhängig vom Geschlecht vergebenen Finanzierung im Programm kommt ein fixer Budgetanteil für Frauen, womit bis zu 14 Projekte von Frauen zusätzlich finanziert werden.

Innovationsförderung

Innosuisse engagiert sich für Frauen als Innovationsschaffende, indem zum Beispiel spezifische Angebote lanciert werden, die Frauen ansprechen. Innosuisse strebt ausserdem eine paritätische Beteiligung von Frauen in Start-up-Trainings an und fördert die Diversität von Teams in Innovationsprojekten.

Beispiele für Aktivitäten im Bereich Hochschulen: 

Projektgebundene Beiträge: Frauen an Hochschulen

Über swissuniversities unterstützt der Bund Kooperations- und Innovationsprojekte der Schweizer Hochschulen durch projektgebundene Beiträge. Gefördert werden zum Beispiel Projekte und Kooperationen zum Thema «Diversität, Inklusion und Chancengerechtigkeit in der Hochschulentwicklung». Auch in der Förderperiode 2025–2028 wird es unter anderem um Gleichstellung, Diversität und Inklusion auf allen Ebenen der Hochschulen gehen. Im Rahmen der hochschulspezifischen Aktionspläne werden zum Beispiel gezielte Massnahmen zur Verbesserung des Frauenanteils auf den entsprechenden Stufen  ̶  bei Assistierenden, Forschenden und Professuren ̶  ergriffen. Sie zielen darauf ab, die Frauenanteile in den untervertretenen Fachbereichen und auf der Führungsebene zu erhöhen. Auch die Schaffung eines respektvollen und inklusiven Studien- und Arbeitsumfelds gehört zu den Zielsetzungen. 

Zwei junge Frauen stehen vor einem weissen Roboter.
Die Schweizer Hochschulen engagieren sich für Ziele wie einen höheren Frauenanteil oder barrierefreien Unterricht. Bild: Hochschule Luzern

Projektgebundene Beiträge: eine vielfältige Studierendenschaft

Die Hochschulen engagieren sich auch für eine vielfältige Studierendenschaft oder barrierefreien Unterricht, unterstützt durch die projektgebundenen Beiträge. So ergreifen zum Beispiel fünf Universitäten gemeinsam Massnahmen zur Förderung von «First-Generation Students», deren Eltern oder Erziehungsberechtigte keinen Abschluss an einer in der Schweiz anerkannten Hochschule erworben haben.

Diese Auflistung ist nicht abschliessend. Mehr Informationen zu den Aktivitäten zur Chancengerechtigkeit im BFI-Bereich finden sich in dieser Übersicht.

Transversale Themen

Am 8. März 2024 hat der Bundesrat die BFI-Botschaft 2025–2028 ans Parlament überwiesen. Das Ziel seiner BFI-Politik ist, dass die Schweiz in Bildung, Forschung und Innovation international führend bleibt. Dafür plant der Bundesrat Ausgaben in den Jahren 2025–2028 im Umfang von maximal 29,2 Milliarden Franken. Einige Themen sind dabei über alle Förderbereiche hinweg relevant. Diese vier Querschnittsthemen, die sogenannten transversalen Themen, werden übergeordnet berücksichtigt: 

  • Digitalisierung
  • Nachhaltige Entwicklung
  • Chancengerechtigkeit
  • Nationale und internationale Zusammenarbeit

Zwischen den vier Themen kann es Wechselwirkungen und Überschneidungen geben. Zum Beispiel fördert die Digitalisierung innovative Entwicklungen in der Effizienzsteigerung – die Digitalisierung wiederum muss nachhaltig für Umwelt, Gesellschaft und Demokratie gestaltet werden. 


Kontakt
Claudia Zahner Rossier, SBFI Stv. Leiterin Ressort BFI-Systemsteuerung claudia.zahnerrossier@sbfi.admin.ch +41 58 464 94 14
Autor/in
Larissa Erdmann