Von der Theorie in die Praxis

Um Wissen aus der Forschung effizient in neue Produkte und Dienstleistungen umzuwandeln, müssen Hochschulen und Unternehmen zusammenarbeiten. Wie gut dies in der Schweiz gelingt, zeigt eine neue Studie.

20.08.2024
Autor/in: Müfit Sabo
Eine Frau mit kurzen schwarzen Haaren in einem schwarzen T-Shirt arbeitet an einem Laptop umgeben von technischen Geräten.
Spielen eine wichtige Rolle beim Transfer von Wissen in die Praxis: Technologietransferzentren wie ANAXAM, das der Industrie Zugang zu fortschrittlichen Analytikmethoden mit Röntgenstrahlung bietet. Bild: Oliver Oettli

Wissens- und Technologietransfer (WTT) bedeutet die Übertragung einer Entdeckung aus der Forschung in die Wirtschaft, indem diese Entdeckung in Form neuer Produkte oder neuer Dienstleistungen zu vermarkten versucht wird. Der WTT erhöht die Innovationskapazität eines Landes und fördert das Wirtschaftswachstum.

Deshalb ist es sehr wichtig, die Leistung eines Landes im Bereich WTT regelmässig zu evaluieren. Dies gilt besonders für ein Land wie die Schweiz, deren Innovationspolitik vorwiegend auf die Förderung des WTT ausgerichtet ist. 

Eine solche Evaluation bietet nun der erste Bericht zum Monitoring des WTT in der Schweiz, den das SBFI im Juli 2024 veröffentlicht hat. Die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich und das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim haben den Bericht im Auftrag des SBFI erarbeitet.

Die Schweiz schneidet gut ab

Im erwähnten Bericht wird die Leistung der Schweiz im Bereich WTT anhand der Intensität des Austauschs zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gemessen. Dabei wird die Schweiz auch mit ihrer Konkurrenz verglichen.

Um es gleich vorwegzunehmen: Die Schweiz schneidet hervorragend ab. Dies ergibt sich aus den meisten Indikatoren, die zur Messung herangezogen wurden.

  • Finanzierung: Die von der Privatwirtschaft finanzierten Aufwendungen für Forschung und Entwicklung im Hochschulsektor nehmen seit rund zehn Jahren stetig zu und erreichten 2021 nahezu 800 Millionen Franken. Damit belegt die Schweiz den ersten Platz unter den Vergleichsländern (Abbildung 1 und 2).
  • Öffentlich-private Zusammenarbeit: Die Anzahl Ko-Patente von Hochschulen und Privatunternehmen in der Schweiz ist im internationalen Vergleich hoch (Abbildung 3), ebenso die Anzahl Ko-Publikationen.
  • Mobilität: Die Schweiz schneidet auch bei der Arbeitsplatzmobilität des wissenschaftlichen und technischen Personals sehr gut ab. Die hohe Mobilität trägt bedeutend zur Verbreitung der Kenntnisse aus den Hochschulen bei. 
  • Vermarktung: Die Anzahl Lizenzvereinbarungen mit Einnahmen von Hochschulen ist ebenfalls hoch. Dies ist erfreulich, denn eine Lizenzvereinbarung ist der Beweis dafür, dass sich die Entdeckung der Hochschule kommerzialisieren lässt. Je höher die Anzahl Lizenzvereinbarungen, desto intensiver ist folglich die Vermarktung (Abbildung 4).

Die Schweizerische Agentur für Innovationsförderung Innosuisse stärkt mit ihren Fördergeldern direkt den Wissens- und Technologietransfer durch die Zusammenarbeit zwischen Hochschulforschung und Privatunternehmen. Erfreulich sind die im internationalen Vergleich hohen Werte für privat finanzierte Forschung und Entwicklung an Hochschulen sowie für Co-Patente und Co-Publikationen.

Eine Grafik zeigt die Entwicklung der F&E-Aufwendungen der Hochschultypen durch den Privatwirtschaftssektor in der Schweiz von 2008 bis 2021. Die Zahlen steigen.
Abbildung 1: F%E-Aufwendungen des Hochschulsektors finanziert durch den Privatwirtschaftssektor in der Schweiz (in Mio. CHF).
Grafik: Anteil der privat finanzierten F&E-Aufwendungen des Hochschulsektors in %, von 2011 bis 2021, im internationalen Vergleich. Die Schweiz liegt mit ca. 11% auf Platz 2 (1: Deutschland ca. 11%).
Abbildung 2: Anteil der vom Privatsektor finanzierten F&E-Aufwendungen für den Hochschulsektor an den gesamten F&E-Aufwendungen des Hochschulsektors (in %).
Grafik: Entwicklung des Anteils an Ko-Patenten von Hochschulen und Unternehmen an allen Patentanmeldungen, 2010 bis 2020, im internationalen Vergleich. Schweiz auf Platz 3, ca. 1.25%.
Abbildung 3: Ko-Patente von Hochschulen und Unternehmen als Anteil an allen Patentanmeldungen (in %).
Grafik: Entwicklung der Vergabe von Lizenzen zur Nutzung von geistigem Eigentum von Schweizer Universitäten von 2012 bis 2021. Aktive Lizenzvereinbarungen zum Jahresende sind am häufigsten.

Erfolgsvoraussetzungen für den WTT

Welches sind die Gründe für diese erfreulichen Ergebnisse? Eine Analyse der einzelnen Tätigkeiten des Schweizer Wissens- und Technologietransfers zeigt, dass sich eine erfolgreiche WTT-Politik dadurch auszeichnet, dass

  • ... stets vielfältige Transferwege genutzt werden. Um den Bedürfnissen der verschiedenen Unternehmenstypen zu entsprechen, ist es wichtig, die zahlreichen unterschiedlichen Kanäle, über die der Wissensaustausch stattfindet, aufrechtzuerhalten und zu pflegen. Zu diesen Kanälen zählen die gemeinsame Forschung, Forschungs- und Entwicklungsaufträge, wissenschaftliche Gutachten, die Vergabe von Lizenzen zur Nutzung von geistigem Eigentum, Unternehmensgründungen, Weiterbildungen sowie persönliche Kontakte.
  • … die Kontinuität des WTT sichergestellt wird: Die Covid-19-Pandemie hatte klar negative Auswirkungen auf die Bereitschaft der Unternehmen, zusammenzuarbeiten und Kenntnisse zu teilen. Mit der antizyklischen Förderung von Schweizer Unternehmen konnte die Kontinuität des WTT jedoch gesichert und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gestärkt werden.
  • … der Austausch zwischen den Schweizer Akteuren (Forschungseinrichtungen und Unternehmen) und ihren ausländischen Partnern gewährleistet ist, insbesondere über die Rahmenprogramme für Forschung und Innovation der Europäischen Union. Bei über 70 Prozent ihrer Beteiligungen an diesen Programmen arbeiten Schweizer Forschungsinstitutionen mit europäischen Unternehmen zusammen.

Zwei Herausforderungen für die Zukunft

Schliesslich zeigt das Monitoring des WTT zwei Herausforderungen für die Schweiz auf. Die erste sind Unternehmensgründungen auf der Basis neuer wissenschaftlicher Forschungsergebnisse. Die Anzahl Start-ups und Spin-offs hat zwar zwischen 2012 und 2019 zugenommen, 2020 und 2021 war sie jedoch rückläufig (Abbildung 5). Die Gründe für diesen Rückgang sind unklar. Manche Expertinnen und Experten führen an, dass die Verhandlungen zwischen den Spin-offs und den Hochschulen häufig komplex und langwierig sind oder dass die Verträge zum Schutz des geistigen Eigentums die Suche nach Investoren erschweren.

Grafik: Entwicklung der Unternehmensgründungen von Schweizer Universitäten von 2012 bis 2021. Neue Start-ups (knapp 80) sind häufiger als Spin-offs, also Start-ups mit formeller Lizenz (gut 30).
Abbildung 5: Unternehmensgründungen von Schweizer Universitäten.

In diesem Zusammenhang hatte ein früherer Bericht des SBFI bereits unterstrichen, dass die Erarbeitung von Leitlinien zum Umgang mit geistigem Eigentum die Effizienz entsprechender Verhandlungen verbessern würde. Mustervereinbarungen zur Regelung des geistigen Eigentums können die Verhandlungskomplexität deutlich verringern.

Die zweite Herausforderung besteht darin, verlässliche Daten zum geistigen Eigentum an den Fachhochschulen zu erhalten. Um den Umgang mit geistigem Eigentum an diesen Hochschulen zu verbessern, sollte eine entsprechende Datenbank geschaffen werden.


Kontakt
Müfit Sabo, SBFI Wissenschaftlicher Berater, Ressort Innovation muefit.sabo@sbfi.admin.ch +41 58 46 59151
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