«Unternehmerisches Denken und Handeln geht alle an»
Bis zu zehn Prozent seiner Mittel für die Berufsbildung setzt der Bund für die Projektförderung ein. Im Zeitraum 2018–2022 hat das SBFI beispielsweise das Pilotprojekt «Unternehmerisches Denken und Handeln an Berufsfachschulen der Schweiz» unterstützt. Projektleiter Georg Berger erklärt, wieso unternehmerisches Denken und Handeln ganzheitlich zu verstehen ist.
Was waren die Beweggründe für das Projekt «Unternehmerisches Denken und Handeln an Berufsfachschulen der Schweiz»?
Unternehmerisches Denken und Handeln ist eine Zukunftskompetenz. Es ist eine Tatsache, dass auf Hochschulstufe – ganz im Gegensatz zur Sekundarstufe II – verschiedene Angebote zur Stärkung der Kompetenzen im Bereich Unternehmertum bestehen. Die Berufsbildung bildet diesbezüglich noch einen blinden Fleck.
Was möchten Sie mit dem Projekt erreichen, welches sind die Ziele?
In pädagogischer Hinsicht möchten wir die Selbstwirksamkeit und die Eigeninitiative von künftigen Berufsleute stärken, indem wir ihnen einen methodischen Werkzeugkasten zur Umsetzung von Ideen und zum Lösen von Problemen in die Hände geben. Mit der Plattform «myidea.ch» haben wir ein Lehrmittel geschaffen für den Aufbau unternehmerischer Kompetenzen im Rahmen des allgemeinbildenden Unterrichts. In erster Linie bilden wir Lehrpersonen fort und vermitteln ihnen das notwendige pädagogisch-didaktische, psychologische und wirtschaftswissenschaftliche Zusatzwissen zu «myidea.ch». Dank unseres Konzepts können sie anschliessend auch andere Lehrpersonen ausbilden.
Die bedarfsorientierte Vermittlung unternehmerischer Kompetenzen ist seit langem Teil der Berufsbildung, insbesondere der höheren Berufsbildung. Höhere Fachprüfungen beispielsweise bereiten Absolvierende auf das Führen eines Unternehmens vor. Wieso braucht es aus Ihrer Sicht unternehmerische Kompetenzen bereits in der beruflichen Grundbildung?
Unternehmerisches Denken und Handeln ist als Unterrichtskonzept ganzheitlich zu verstehen. Wir richten unser Augenmerk nicht nur auf die Gründung eines Unternehmens (Entrepreneur), sondern auch auf die erfolgreiche Ausübung der Rolle als Mitarbeitende (Intrapreneur). Die technologische Entwicklung fördert das Lebensunternehmertum, weshalb wir gut daran tun, den Berufsnachwuchs im Kontext des lebenslangen Lernens entsprechend zu sensibilisieren. Kurz gesagt: Unternehmerisches Denken und Handeln geht alle an.
Projektleiter Georg Berger, Direktor des Berufsbildungszentrums Olten und Präsident der Schweizerischen Direktorenkonferenz SDK-CSD. Bild: Bruno Kissling
Das Projekt startete 2018 und endete 2022. Konnten die gesteckten Ziele erreicht werden?
Die ursprüngliche Zielsetzung lautete unter anderem wie folgt: «Innerhalb der Projektlaufzeit sollen geschätzte 160 Lehrpersonen und rund 3300 Berufslernende aus den vier beteiligten Kantonen erreicht werden». Gemessen an dieser Zielsetzung verlief das Projekt sehr erfolgreich. Wegen der Covid-19-Pandemie mussten wir allerdings das ganze Projektsetting von Präsenz- auf Fernunterricht umstellen, was zu Mehrkosten und einer Verzögerung um ein Jahr führte. Mit der Online-Plattform «myidea.ch» haben wir ein Lehr-Lern-Programm für den allgemeinbildenden Unterricht in drei Sprachen erarbeitet. Nach dem Unterricht schätzen die Lernenden ihre Fähigkeiten zur Entdeckung und Umsetzung einer eigenen Geschäftsidee sowie die Umsetzbarkeit einer Gründung signifikant höher ein. Es zeigt sich, dass besonders weibliche Lernende vom Programm profitieren.
Wie soll es weitergehen und wo sehen Sie Herausforderungen?
Mit der Ende 2022 erfolgten Gründung eines Schweizerischen Zentrums für Unternehmerisches Denken und Handeln wollen wir Aktivitäten in den Bereichen Programmentwicklung, -verbreitung und -evaluation vorantreiben. Auch die Qualifizierung von Lehrpersonen sowie die Durchführung von Wettbewerben und Berufsmeisterschaften sind weiterhin im Fokus. Das Zentrum ist bei der Wirtschaftsförderung der Region Olten angesiedelt, welche zuvor in Olten bereits den European Youth Start Award durchgeführt hat. Unsere Vision ist erfüllt, wenn alle Berufslernenden unternehmerisch denken und handeln können. Die grosse Herausforderung besteht nun darin, unternehmerisches Denken und Handeln als die Fähigkeit, Ideen in nachhaltige Werte für Wirtschaft und Gesellschaft umzuwandeln, im Rahmenlehrplan für Allgemeinbildung zu verankern.
Welchen Stellenwert hatte die Unterstützung des Bundes im Rahmen der Projektförderung für die Umsetzung des Projekts?
Ohne die aktive Unterstützung des SBFI hätte unser Vorhaben nie verwirklicht werden können. Eine weitere zentrale Voraussetzung bildete die ideelle Unterstützung der Organisationen der Arbeitswelt. Hier bin ich als Projektleiter den Bildungsverantwortlichen des Schweizerischen Gewerbeverbandes und des Schweizerischen Arbeitgeberverbands sehr dankbar. Zudem gab uns die Empfehlung der Schweizerischen Berufsbildungsämterkonferenz die notwendige Glaubwürdigkeit bei der Einführung in den Kantonen. Alles in allem ist das Projekt ein Beispiel der tadellos funktionierenden Verbundpartnerschaft der schweizerischen Berufsbildung.
Richtlinien für Projektförderung
- Die Verwendung der Mittel ist in Artikel 54 und 55 des Berufsbildungsgesetzes (BBG) geregelt.
- Gemäss Art. 54 BBG können Projekte subventioniert werden, die zur Weiterentwicklung und zum Aufbau zukunftsgerichteter Strukturen in der Berufsbildung beitragen. Darunter fallen beispielsweise Pilotprojekte, Studien und Anschubfinanzierungen.
- Art. 55 BBG gibt dem Bund die Möglichkeit, Beiträge auszurichten, die im öffentlichen Interesse liegen, aber ohne zusätzliche Unterstützung nicht erbracht werden könnten. Dazu gehören beispielsweise Massnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frau und Mann oder zur Sicherung und Erweiterung des Lehrstellenangebotes.