Schweiz–Québec: Konstruktiver Austausch auf beruflicher Ebene
Am 14. Juni 2022 haben die Schweiz und Québec in Bern eine Vereinbarung über die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen unterzeichnet. Frédéric Berthoud, Schweizer Koordinator für die Anerkennung von Berufsqualifikationen im SBFI, hat zwei Personen interviewt, die das Abkommen bereits nutzen.
Die Förderung der internationalen Anerkennung von Schweizer Berufsabschlüssen ist eines der Ziele der internationalen Strategie des Bundesrates im Bereich Bildung, Forschung und Innovation. Die neue Vereinbarung sieht die gegenseitige Anerkennung der Diplome beider Länder vor und ermöglicht es Staatsangehörigen beider Seiten, einen reglementierten Beruf im Hoheitsgebiet des anderen Landes auszuüben. Sie gilt derzeit für fünf Berufe: Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Dentalhygienikerinnen und Dentalhygieniker, Zahntechnikerinnen und Zahntechniker, Radiologiefachpersonen sowie Hebammen und Geburtshelfer. Im Laufe der Zeit dürften weitere Abkommen für andere Berufe hinzukommen.
Berufsleute wie Mélanie Dufour, Dentalhygienikerin in Québec, und Loïc Schneider, Schweizer Sozialarbeiter auf dem Sprung nach Montréal, profitieren bereits vom Abkommen. Ende 2023 haben sie dem SBFI von ihren bisherigen Erlebnissen erzählt. Sie zeigen, wie das Abkommen Berufstätigen den Weg zu Erfahrungen in einem anderen Land mit ähnlicher Kultur, Bevölkerungszahl und Wirtschaftsstruktur ebnet, in dem zudem die eigene Sprache gesprochen wird.
Erzählen Sie uns von sich. Haben Sie in Ihrem Herkunftsland bereits Berufserfahrung gesammelt? Warum zieht es Sie in ins Ausland?
Mélanie Dufour: Für mein Studium bin ich aus der Region, in der ich aufgewachsen bin, in den Grossraum Montréal gezogen. Dort habe ich 1999 meinen Abschluss gemacht. Seither habe ich immer in Québec gearbeitet, hauptsächlich in der Region Beauce. Als Dentalhygienikerin ist es mir immer gelungen, Beruf und Familie zu vereinbaren. Heute kann ich Dank meiner wieder gewonnen Freiheit, zu neuen Ufern aufbrechen.
Loïc Schneider: Ich habe 2016 meinen Bachelor in Sozialarbeit an der HES-SO abgeschlossen und werde ab diesem Jahr in Montréal als Sozialarbeiter mit jungen Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern tätig sein. Da Québec sozusagen der «wichtigste Bezugspunkt» für die Sozialarbeit ist, war es schon immer mein Wunsch, dort zu arbeiten. Ich glaube, diese Erfahrung wird meiner Karriere sehr förderlich sein. Nach mehreren Arbeitsjahren in der Schweiz ist es für mich an der Zeit, um loszuziehen und Neues zu entdecken.
Wie haben Sie von diesem neuen Abkommen erfahren, das Ihnen ermöglicht, Ihren Beruf in der Schweiz respektive in Québec auszuüben?
Mélanie Dufour: Während des Studiums haben die Lehrpersonen die Schweiz und ihre vielen Vorteile gelobt. Aber die ganzen Formalitäten waren etwas abschreckend. Als ich über meine Berufskammer von diesem neuen Abkommen erfuhr, wusste ich, dass die Zeit für einen Neuanfang gekommen war. Also habe ich das Projekt in Angriff genommen.
Loïc Schneider: Ich habe immer den ALUMNI-Newsletter der HES-SO erhalten. Glücklicherweise habe ich diesen gelesen und bin auf die Information zur Vereinbarung zwischen der Schweiz und Québec gestossen. Es war also eher Zufall, dass ich von dieser Möglichkeit erfahren habe. Am nächsten Tag stand meine Entscheidung fest.
Wie ist das Anerkennungsverfahren abgelaufen?
Mélanie Dufour: Die Diplomanerkennung ist relativ einfach. Die Webseite des Schweizerischen Roten Kreuzes ist übersichtlich und führt gut durch das Verfahren. Der aufwendigste Schritt war das Zusammenstellen aller Dokumente. Nachdem ich mein Dossier per Post verschick hatte, dauerte es rund vier Monate, bis ich die Anerkennung in den Händen hielt.
Loïc Schneider: Reibungslos und angenehm. Ich musste etliche Dokumente einreichen und drei Online-Kurse absolvieren. Seit Oktober 2023 gehöre ich nun offiziell der Québecer Berufskammer der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter an. Dank der neuen Vereinbarung können Schweizerinnen und Schweizer Mitglied dieser Kammer werden, was unerlässlich ist, um dort als Sozialarbeiter anerkannt zu werden.
Die Anerkennung der Berufsqualifikationen ist eine Sache, eine Arbeitsstelle zu finden eine andere. Wie weit sind Sie diesbezüglich? Ist es schwierig?
Mélanie Dufour: Zum Glück gibt es die sozialen Medien! Ich konnte mich glücklicherweise mit mehreren potenziellen Arbeitgebern austauschen, bevor ich mich für eine Stelle entschied, die am besten zu meinen beruflichen Werten passt. Inzwischen ist der Arbeitsvertrag unterzeichnet und die Arbeitsbewilligung beantragt. Das Warten ist für mich das Schwierigste.
Loïc Schneider: Das dauert tatsächlich viel länger! Als Schweizerin oder Schweizer muss man sich auf der Plattform «Recrutement Santé Québec» der Regierung von Québec anmelden und alle Schritte von der Schweiz aus erledigen. Diese Struktur wählt die Kandidatinnen und Kandidaten nach ihren eigenen Kriterien aus und legt die Dossiers potentiellen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern vor. Man muss sich also darauf einstellen, dass alle Schritte online abgewickelt werden und es nicht möglich ist, das Team vor der grossen Abreise kennen zu lernen.
Ich habe im Mai 2023 mit dem Verfahren begonnen und bin glücklicherweise ausgewählt worden. Ich wurde meinen Wünschen und meinem Profil entsprechend vermittelt. Nach einem mehrmonatigen Verfahren stehe ich kurz vor dem Vertragsabschluss mit einem Sozialzentrum in Montreal. Sobald der Vertrag unterzeichnet ist, muss ich einen Einwanderungsantrag stellen, um einen Arbeitsvertrag für meine Stelle zu erhalten. Mein Arbeitgeber hat als vorläufiges Datum für den Arbeitsbeginn Ende Mai 2024 festgelegt. Das Einwanderungsverfahren kann jedoch länger dauern.
Was können wir Ihnen für Ihre berufliche Zukunft in der Schweiz respektive in Québec wünschen?
Mélanie Dufour: Ich wünsche mir ein spannendes Abenteuer, und dass ich dank dem kulturellen Mix mein Wissen erweitern und vor allem auch weitergeben kann. Als Dentalhygienikerin ist es mein Hauptziel, den Menschen zu helfen, Verantwortung für ihre Zahngesundheit zu übernehmen.
Loïc Schneider: Dass ich meinen jurassischen Akzent nicht verliere! Spass beiseite: Ich hoffe auf eine menschlich, kulturell und natürlich auch beruflich bereichernde Erfahrung.