Forschende aus der Schweiz befassen sich mit Künstlicher Intelligenz, Ethik und Governance in China
Auf Initiative von Swissnex in China fand vom 5. bis 9. September 2024 das Tech & Ethics-Programm für Schweizer Forschende statt, die am Knotenpunkt von Künstlicher Intelligenz (KI), Governance und Ethik tätig sind. Es ging darum, ein Verständnis für die Trends und den Diskurs rund um KI in China zu vermitteln. Die verantwortungsvolle Entwicklung von KI und das ethische Dilemma unserer digitalen Zeit führten zu lebhaften Debatten zwischen schweizerischen und chinesischen Forschenden.
Weltweit gibt es unterschiedliche Auffassungen über die Rolle der Technologie in der Gesellschaft. China ist in der angewandten KI besonders stark und weit entwickelt, beispielsweise in den Bereichen Transport, Konsumenten- und Gesundheitstechnologie.
Das Team von Swissnex in China erachtete es als zentral, die interdisziplinäre Schweizer Forschungsgruppe aus erster Hand zu informieren, wie Forschende, Unternehmen und die Bevölkerung in China mit Chancen und Risiken von KI umgehen. Diese Kenntnisse sind zentral, damit die Schweiz die Zusammenarbeit mit China in den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation (BFI) besser versteht.
Einsatz von KI
China und die Schweiz verfolgen beim Einsatz von KI unterschiedliche Ansätze. Patrick Tinguely des Strategy and Artificial Intelligence Lab der ETH Zürich stellt fest: «In China wird Zweckdienlichkeit oft über den Datenschutz gestellt, während die Schweiz den Datenschutz stärker gewichtet. So wäre es in der Schweiz eher undenkbar, Personen, die ohne Helm E-Bike fahren, anhand von KI und Bilderkennung ausfindig zu machen und die Informationen an die Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben. Ein weiterer zentraler Unterschied ist die Aggregation von schützenswerten Gesundheitsdaten für die medizinische Forschung. Dieses Vorgehen scheint in China eher möglich, in der Schweiz hingegen erschweren Datenschutz und Datensicherheit eine solche Praxis.»
«In China wird Zweckdienlichkeit oft über den Datenschutz gestellt, während die Schweiz den Datenschutz stärker gewichtet.»
Dennoch sind beim Umgang mit den Herausforderungen durch KI auch zahlreiche Gemeinsamkeiten festzustellen, beispielsweise in den Bereichen Datenverzerrung, Sicherheit, Diversität und Inklusion.
Ethische Standards
Ein Schwerpunkt des Programms bestand darin, die ethischen Dimensionen von KI abzugrenzen und zu verstehen, wie unterschiedliche Gesellschaften mit Technologie umgehen. Yishu Mao der Universität Zürich betont, dass «Gleichberechtigung nicht für alle Menschen das Gleiche bedeutet. In den Debatten scheinen normative und deskriptive Ethik vermischt zu werden.
Die Diskussion führte zu interessanten Fragen, die philosophische Aspekte von Gesellschaft sowie die Definition von Ethik und KI an sich aufgriffen. «Bei den lebhaften Debatten zeigte sich, dass es bei den unterschiedlichen Meinungen über KI-Forschung und KI-Ethik nicht nur um Ost gegen West geht. Sie sind auch bereichs- und generationenübergreifend zu finden und gehen über sozio-technologische Grenzen hinaus», erzählt Yash Raj Shrestha des Applied AI Lab der Universität Lausanne.
«Bei den lebhaften Debatten zeigte sich, dass es bei den unterschiedlichen Meinungen über KI-Forschung und -Ethik nicht nur um Ost gegen West geht.»
Künstliche Intelligenz ist nicht mehr einfach ein technisches Instrument, sondern hat sich als System tief in unserer Gesellschaft und unserem Alltag verankert. In Bezug auf die KI-Governance fordern die Teilnehmenden einen ganzheitlichen Ansatz, der den gesellschaftlichen, ethischen und kulturellen Kontext berücksichtigt, um ethische Resultate und das Vertrauen in KI-Systeme sicherzustellen.
Verantwortungsvolle KI-Entwicklung und wissenschaftliche Integrität
Während des Workshops, bei dem die wissenschaftliche Integrität und die Verwendung von KI in Forschungspublikationen im Vordergrund standen, wiesen Fachpersonen beider Länder darauf hin, wie wichtig die globale Zusammenarbeit für den Erhalt von ethischen Forschungsstandards ist. Eine wichtige Erkenntnis war, dass KI zwar Forschungsprozesse verbessern kann, dass das menschliche Ermessen für korrekte Ergebnisse und die Fehlerprävention aber zentral bleibt. Um die hohen Standards, insbesondere bei der Bearbeitung von schützenswerten Daten und geistigem Eigentum, zu erhalten, braucht es stetige Sensibilisierungsmassnahmen und klare Richtlinien.
Herausforderungen durch Dialog angehen
Trotz unterschiedlicher Ansichten – insbesondere in Bezug auf Datenschutz und Datensicherheit – sind solche Debatten zentral, um sicherzustellen, dass die KI-Governance mit der technischen Entwicklung Schritt hält. Die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und China zeigt, wie der Dialog dazu beitragen kann, Herausforderungen anzugehen und ein breiteres Regelwerk zu erarbeiten, bei dem Ethik, Transparenz und Fairness im Vordergrund stehen.
Tech&Ethics-Programm 2024
Die Teilnehmenden besuchten Peking und Shanghai, wo sie sich mit lokalen Forschenden der Universität Peking, der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Fudan sowie mit Vertreterinnen und Vertretern der wichtigsten Technikunternehmen, darunter Alibaba, Baidu und DiDi, austauschten. Zudem nahmen sie am zweiten chinesisch-schweizerischen Workshop über wissenschaftliche Integrität teil, der von Swissnex in China, Frontiers und CASLibrary organisiert wurde und sich schwerpunktmässig mit verantwortungsvoller Forschung und Innovation befasste. Schliesslich besuchten die Teilnehmenden einen Anlass des Pujiang Innovation Forums, eines der wichtigsten Innovationsforen in China.