Berufsabschluss für Erwachsene

Jedes Jahr erwerben in der Schweiz mehr als 10'000 Erwachsene über 25 Jahre einen Berufsabschluss. Dabei können sie zwischen verschiedenen Wegen wählen. Sabina Giger, Projektverantwortliche im SBFI, erklärt, wie sich die heutigen Angebote bewähren. Und wo Handlungsbedarf besteht.

18.06.2024
Autor/in: Tiziana Fantini
Mann und Frau im Gespräch
Die Mehrheit der rund 10'600 jährlichen Berufsabschlüsse von Erwachsenen erfolgen auf traditionellem Weg über ein Qualifikationsverfahren mit Abschlussprüfung. Bild: Monique Wittwer

Wie können Erwachsene in der Schweiz einen Berufsabschluss erwerben?

Jedes Jahr machen etwa 5000 Erwachsene eine klassische Berufslehre. Diese eignet sich für Personen, die noch nicht über berufsspezifische Kompetenzen oder die notwendige Allgemeinbildung verfügen. 

Wer berufsrelevante Kompetenzen oder die notwendige Allgemeinbildung mitbringt, kann sich bereits erworbene Bildungsleistungen anrechnen lassen und so einen Abschluss erwerben. Rund 2500 Erwachsene absolvieren pro Jahr eine verkürzte Berufslehre. Etwa die gleiche Anzahl bereitet sich in Kursen und ohne Lehrvertrag auf die Abschlussprüfung vor. 

In gewissen Berufen gibt es auch alternative Qualifikationsverfahren wie beispielsweise die Validierung von Bildungsleistungen. Diese hat sich in einzelnen Branchen erfolgreich etabliert. Der Anteil der so erworbenen Abschlüsse ist gesamtschweizerisch jedoch relativ gering. 

Warum werden nicht mehr Abschlüsse durch Validierung erworben?

In der Schweiz stehen rund 250 berufliche Grundbildungen zur Auswahl. Die Anrechnung von Bildungsleistungen und damit auch die verkürzte Berufslehre ist grundsätzlich in allen Berufen möglich. Ein Validierungsverfahren muss jedoch spezifisch von einer Trägerschaft in Zusammenarbeit mit den Kantonen entwickelt werden. Die Validierung gibt es in 15 beruflichen Grundbildungen, insbesondere in Branchen mit Fachkräftemangel oder wenn für die Betriebsführung gesetzliche Bestimmungen zur Qualifikation des Personals existieren. Dies ist insbesondere im Gesundheits- und Sozialwesen der Fall. Aber auch im kaufmännischen Bereich hat die Validierung Tradition. 

Für wen eignet sich das Verfahren?

Das Validierungsverfahren ist ein speziell für berufserfahrene und schulgewohnte Erwachsene entwickeltes Qualifikationsverfahren. Die Kandidatinnen und Kandidaten weisen nicht an einer Abschlussprüfung, sondern in einem selbst erstellten Dossier nach, dass sie über die in einem Beruf geforderten Handlungskompetenzen und die Anforderungen der Allgemeinbildung verfügen. Der Zugang zur Validierung ist dank interkantonaler Zusammenarbeit in der ganzen Schweiz gewährleistet.

Grafik
Erwachsenen ohne Berufsabschluss stehen verschiedene Wege offen, um einen Abschluss oder Kompetenzen zu erwerben und so die eigene Arbeitsmarktfähigkeit weiterzuentwickeln. Grafik: SBFI

Worauf kommt es bei der Qualifizierung von Erwachsenen ohne Berufsabschluss an?

Zunächst ist zu klären, welche Art der Qualifikation sinnvoll ist. Dazu müssen die persönliche und berufliche Situation sowie die individuellen Ressourcen analysiert werden. Berufstätige können dazu das Gespräch mit ihrem Arbeitgeber oder ihrer Arbeitgeberin suchen. Auch professionelle Beratungsangebote wie die von Bund und Kantonen finanzierte berufliche Standortbestimmung viamia oder Laufbahnberatungen privater Anbieter können weiterhelfen. 

Gibt es finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten?

Zum Thema Finanzierung der beruflichen Grundbildung von Erwachsenen hat die Schweizerische Berufsbildungsämter-Konferenz (SBBK) mit Unterstützung des SBFI eine Studie durchführen lassen. Sie zeigt, dass die Lösungen je nach Branche und Kanton unterschiedlich sind. Interessierte Erwachsene müssen die Finanzierungsmöglichkeiten in ihrem Wohnkanton individuell abklären. Je nach Situation können neben eigenen Mitteln etwa Arbeitgeber- und Branchenbeiträge, Ausbildungsbeiträge oder Stipendien und Darlehen zum Tragen kommen.

Frau mit kurzen JHaaren und Brillen

Sabina Giger ist Projektverantwortliche im Ressort Berufsbildungspolitik des SBFI und unter anderem zuständig für den Berufsabschluss für Erwachsene. 

Sehen Sie weiteren Optimierungsbedarf?

In den letzten Jahren wurde einiges unternommen, um die Rahmenbedingungen für den Berufsabschluss für Erwachsene zu optimieren. Im Bereich der Finanzierung hat zum Beispiel die SBBK 2022 ein Commitment (PDF) verabschiedet mit dem Ziel, die Finanzierungsinstrumente zu verbessern und allfällige Finanzierungslücken zu schliessen. Die Kantone haben zu diesem Zweck ein Monitoring eingerichtet. Auch die Tripartite Berufsbildungskonferenz hat ein Commitment zum Berufsabschluss für Erwachsene mit Förderzielen verabschiedet. Auf dieser Grundlage lässt das SBFI derzeit eine Auslegeordnung zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen erarbeiten. Die Ergebnisse werden gegen Ende 2024 vorliegen. 

Zudem ist es wichtig, niederschwellige Weiterbildungen wie Branchenzertifikate zu entwickeln, die nach Möglichkeit später an einen Berufsabschluss angerechnet werden können. Potenzial besteht hier insbesondere in Branchen, die aufgrund des Fachkräftemangels Quereinsteigende gewinnen möchten. So hat zum Beispiel Polybau im Bereich Gebäudehülle niederschwellige Bildungsangebote für Personen ohne Berufsabschluss entwickelt. 

Nicht zu vergessen: Der Bund kann innovative Projekte im Bereich der Berufsbildung finanziell unterstützen.