70 Jahre CERN: Ein Vermächtnis von Entdeckungen und eine Vision für die Zukunft

2024 feiert das CERN sein 70-jähriges Bestehen und ist damit eine der ältesten internationalen Forschungsorganisationen. Die Geschichte des CERN ist eine Geschichte von Pionierforschung, technologischem Fortschritt und internationaler Zusammenarbeit. Und seine Zukunft verspricht, die Grenzen des Wissens weiter zu verschieben.

04.10.2024
Autor/in: Francesca Stocker
Der „Globus der Wissenschaft“ ist mitten auf einem schneebedeckten Feld vor dem Hintergrund schneebedeckter Berge und eines blauen Himmels mit Schnee bedeckt.
Der fertige Globe of Science und Innovation am CERN. Bild: CERN

Das CERN wurde 1954 mit dem Ziel gegründet, die länderübergreifende und friedliche Zusammenarbeit durch Wissenschaft zu fördern. Zwölf europäische Länder, darunter die Schweiz, unterzeichneten die Gründungsurkunde für ein Zentrum für Grundlagenforschung in der Teilchenphysik mit Standort auf der schweizerisch-französischen Grenze in Genf. Die Mission des CERN war klar: das Universum durch die Erforschung der kleinsten Materieteilchen zu verstehen. Das Labor umfasst heute 24 Mitgliedstaaten, beschäftigt etwa 2500 Mitarbeitende und über 12'000 Wissenschafterinnen und Wissenschafter aus 110 Nationalitäten gehen am CERN ein und aus. Es ist zu einem Symbol für grenzüberschreitende wissenschaftliche Zusammenarbeit geworden.

Die Zukunft und die nächste Herausforderung

Für Forschungsinfrastrukturen von einer solchen Bedeutung und Grösse wie das CERN ist eine langfristige, strategische und ambitionierte Planung unabdingbar. Bis Ende 2025 läuft im Auftrag des CERN-Rats, der sich aus Vertretern und Vertreterinnen der 24 Mitgliedstaaten zusammensetzt, eine Machbarkeitsstudie für den Bau des Future Circular Collider (FCC). 

Der FCC würde Bereiche der Teilchenphysik untersuchen, die bis dato noch weitgehend unerforscht sind. Denn heute erklärt das Standardmodell der Teilchenphysik nur die sichtbare Materie, die etwa fünf Prozent des Universums ausmacht, und lässt wichtige Phänomene wie die dunkle Materie oder die dunkle Energie unerklärt.

Mit einem Umfang von 91 Kilometern wäre der FCC etwa dreimal so gross wie der Large Hadron Collider (LHC) und würde 10-mal so hohe Energien erreichen. Forschende könnten Teilchenkollisionen in noch nie dagewesener Präzision und Menge untersuchen. Die für den FCC entwickelten Technologien können Innovationen in Bereichen wie Informatik, Energie, bildgebende Medizin, Krebstherapien, Datenverarbeitung oder künstlicher Intelligenz fördern. 

Fällt die Machbarkeitsstudie positiv aus, so könnten die CERN-Mitgliedsstaaten frühestens 2027/2028 eine Entscheidung zum Bau des FCC fällen. Das Projekt würde bis Ende des Jahrhunderts wissenschaftliche Erkenntnisse liefern.

Die Rolle und das Engagement der Schweiz

Als Gaststaat des CERN hat die Schweiz in den letzten 70 Jahren zum Erfolg des Labors beigetragen. Das Engagement unseres Landes für Bildung, Forschung und Innovation spiegelt sich in der starken Partnerschaft zwischen dem CERN und Schweizer Institutionen wider. Auch in Zukunft wird die Schweiz eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der bahnbrechenden Arbeit des CERN spielen und sicherstellen, dass das Labor ein Zentrum für wissenschaftliche Exzellenz bleibt.

Meilensteine der vergangenen 70 Jahre

Entdeckung der W- und Z-Bosonen (1983)

Einer der ersten grossen Durchbrüche des CERN gelang 1983 mit der Entdeckung der W- und Z-Bosonen, die die Rolle der schwachen Kraft bei Teilchenwechselwirkungen bestätigten. Diese Entdeckung brachte dem CERN 1984 den Nobelpreis für Physik ein und festigte seinen Ruf als führendes Zentrum für experimentelle Physik.

Geburt des World Wide Web (1989)

1989 erfand Tim Berners-Lee am CERN das World Wide Web und veränderte damit die Art und Weise, wie Menschen Informationen austauschen. Ursprünglich zur Verbesserung der wissenschaftlichen Kommunikation geschaffen, hat das Web seitdem die globale Gesellschaft revolutioniert und ist zu einem der weitreichendsten Beiträge des CERN geworden.

Der Large Hadron Collider und das Higgs-Boson (2012)

Im Jahr 2012 entdeckte das CERN mithilfe des Large Hadron Collider (LHC), dem leistungsstärksten Teilchenbeschleuniger der Welt, das Higgs-Boson. Das Teilchen, wurde erstmals in den 1960er-Jahren theoretisch beschrieben. Seine Entdeckung war ein Meilenstein für die Bestätigung des Standardmodells der Teilchenphysik und brachte Peter Higgs und François Englert 2013 den Nobelpreis für Physik ein.

Technologische und medizinische Fortschritte

Über die Teilchenphysik hinaus hat das CERN zahlreiche Innovationen vorangetrieben, beispielsweise in der Medizintechnik: Die für Teilchenbeschleuniger entwickelten Instrumente werden heute in der Krebstherapie und medizinischen Bildgebung eingesetzt. Die Arbeit des CERN im Bereich des Grid-Computing hat die Datenverarbeitung in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen revolutioniert, von der Klimawissenschaft bis zur Genomik.

Ein Schwarz-Weiß-Foto von zwei Männern, die mit dem Rücken zur Kamera vor einem Feld stehen.
17 Mai 1954: erster Spatenstich in Meyrin, beobachtet von Vertretern des Kanton Genf und CERN-Mitarbeitern. Bild: CERN
Eine Bautruppe in orangefarbenen oder blauen Overalls und mit Schutzhelmen posiert für ein Gruppenfoto in einem Tunnel.
Die Ausgrabung des Tunnels für den Large Electron-Positron Collider wurde am 8. Februar 1988 abgeschlossen. Heute beherbergt derselbe Tunnel den Large Hadron Collider (LHC). Bild: CERN
Ein Foto einer rotbraunen Holzkuppel im Bau mit einem gelben Kran auf der linken Seite.
Das CERN feierte sein 50-jähriges Bestehen mit der Einweihung des Globe of Science and Innovation am 19. Oktober 2004 – einem Geschenk der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bild: CERN

Kontakt
Francesca Stocker, SBFI Wissenschaftliche Beraterin, Ressort Internationale Forschungsorganisationen francesca.stocker@sbfi.admin.ch +41 58 467 67 96
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Francesca Stocker

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