Quantenwissenschaften verbinden die USA und die Schweiz
Die Swiss-US Quantum Days im Oktober 2022 markierten den Beginn einer neuen Ära der Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und den USA im Bereich der Quantenforschung und -technologie. Ein Gespräch mit Benjamin Bollmann und Brendan Krach (beide Swissnex in Boston) und Anna Fontcuberta i Morral (ETH Lausanne).
Letztes Jahr lancierte Swissnex in Boston und New York die Swiss-US Quantum Days in Chicago. Worum ging es bei dieser Konferenz?
Benjamin Bollmann: Einerseits wollten wir der hervorragenden Schweizer Quantenforschung und den Schweizer Innovationen in diesem Bereich mehr Sichtbarkeit verleihen. Andererseits sollten die Quanten-Gemeinschaften beider Länder die Möglichkeit erhalten, in eine neue Ära der Zusammenarbeit zu starten. Einen Tag vor ihrer Teilnahme an den Quantum Days unterzeichnete Staatssekretärin Martina Hirayama eine gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit im Bereich der Quanteninformationswissenschaft und -technologie (Quantum Information Science and Technology, QIST) zwischen der Schweiz und den USA.
Anna Fontcuberta i Morral: An der Konferenz wurden die hervorragende Zusammenarbeit und die gemeinsamen Interessen der beiden Länder in den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation hervorgehoben. Für wichtige Akteure aus Forschung, Industrie und Politik bot sie die Gelegenheit, sich persönlich zu treffen, bestehende Kontakte zu vertiefen und ihre Netzwerke zu erweitern.
Was waren die wichtigsten Ergebnisse?
Benjamin Bollmann: Wir sind der Ansicht, dass die Konferenz auf sehr positive Art und Weise zeigen konnte, wie wichtig für die Schweiz internationale Zusammenarbeit und Austausch mit anderen Ländern sind. Versuchsweise haben wir uns für eine mittelgrosse Gruppe mit rund 85 Konferenzteilnehmenden entschieden, wodurch der Austausch sehr gezielt und im kleinen Rahmen stattfinden konnte. Wie so oft bei Swissnex wollten wir dadurch Verbindungen anstossen, die sich vielleicht erst später auszahlen.
Anna Fontcuberta i Morral: Im Bereich der QIST-Forschung kennen sich die Forschenden zwar meist relativ gut, aber oft sind ihnen Aktivitäten im Bildungsbereich oder für die Gesellschaft als Ganzes weniger bekannt. Dazu gehören beispielsweise Informationsveranstaltungen in Primarschulen und weiterführenden Schulen oder die Ausbildung von Lernenden und technischem Fachpersonal. Die Forschenden konnten sich über solche Tätigkeiten informieren und sich über die Rolle der Quantenwissenschaften bei der Weiterentwicklung der Gesellschaft und der Bildung austauschen.
Brendan Karch: Viele Schweizer Forschende erfuhren an der Konferenz mehr über das ausgezeichnete Quantenphysik-Ökosystem, das momentan in Chicago und generell im Bundesstaat Illinois entsteht. Ausserdem ergründeten sie neue Wege für eine allfällige Zusammenarbeit. Unterdessen sind aus den Quantum Days schon über ein halbes Dutzend konkreter Projekte hervorgegangen.

Anna Fontcuberta i Morral ist Professorin für Materialwissenschaften und Physikan der EPF Lausanne. Zudemist sie Mitglied des Forschungsrats des SNF und Mitglied der Schweizerischen Quanten-Kommission der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften. Foto: Dirk Grundler.

Benjamin Bollmann ist seit 2020 CEO von Swissnex in Boston und New York. Er ist Absolvent der ETH Zürich und hat am MIT zu Neurowissenschaften und künstlicher Intelligenz geforscht.

Brendan Karch arbeitet seit 2021 als Head of Academic Engagement im Swissnex-Büro in Boston. Zuvor war er Dozent für moderne europäische Geschichte an der Louisiana State University.
Der ETH-Rat hat die Quantum Days unterstützt. Weshalb war diese Zusammenarbeit so wichtig?
Brendan Karch: Die meisten amerikanischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kennen die ETH Zürich oder die EPF Lausanne vom Hörensagen, aber wir wollten ihnen klarmachen, wie sehr die Quantenwissenschaften im ganzen ETH-Bereich verankert sind. Zu erwähnen sind unter anderem das neue Zentrum für Quantencomputer am Paul Scherrer Institut, das zusammen mit der ETH Zürich betrieben wird, sowie die innovativen Masterstudiengänge für Quanten-Engineering an der ETH Zürich und ganz neu auch an der EPF Lausanne. Natürlich ist das Spektrum noch breiter, denn auch ausserhalb des ETH-Bereichs gibt es mehrere Exzellenzzentren für Quantenforschung, am bekanntesten sind jene in Basel und Genf.
Anna Fontcuberta i Morral: In meinen Augen ist die Quantenforschung eine der wichtigsten Prioritäten des ETH-Bereichs. Es fliessen momentan bedeutende Mittel in diesen Forschungszweig, insbesondere über nationale Forschungsschwerpunkte, von denen auch zahlreiche andere akademische Institutionen ausserhalb des ETH-Bereichs profitieren.
Die Schweiz und die USA haben wie bereits erwähnt eine gemeinsame Erklärung zur Stärkung der Zusammenarbeit im QIST-Bereich unterzeichnet. Welche Bedeutung hat sie?
Anna Fontcuberta i Morral: Nach der Unterzeichnung wurde in Gesprächen mit der amerikanischen National Science Foundation erörtert, wie die Finanzierung der Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern weiter ausgebaut werden kann. Gestützt auf ein neues Abkommen können ab 2023 gemeinsame Projekte lanciert werden, unter anderem auch in den Quantenwissenschaften. Das ist sehr ermutigend, insbesondere angesichts der erschwerten Zusammenarbeit mit EU-Ländern im Quantenbereich, aber auch im Wissen, dass die USA und die Schweiz in diesem Bereich die zwei Länder mit dem höchsten Wissenschafts-Impact sind.
Benjamin Bollmann: Die Quantentechnologie entwickelt sich gerade zu einem wichtigen Feld im globalen Wettstreit um die beste Ausgangslage für die nächste industrielle Revolution. Viele Länder erarbeiten zurzeit nationale Strategien und tätigen grosse Investitionen. Aber kein Land wird es alleine schaffen – und schon gar nicht ein so kleines wie die Schweiz. 2022 wurde die Schweiz zu zwei von den USA organisierten Round-Table-Gesprächen im Bereich Quantenwissenschaften mit insgesamt zwölf Ländern eingeladen. Vor diesem Hintergrund hielt es das SBFI für sinnvoll, den bilateralen Rahmen für die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten zu stärken.
Swissnex in Boston und New York verbindet die Schweiz, Nordamerika und die Welt in den Bereichen Bildung, Forschung, Innovation und Kunst.
Gab es auch Hindernisse bei der Zusammenarbeit zwischen Swissnex und dem ETH-Bereich?
Brendan Karch: Quantenforschende und Innovationsakteure in diesem Bereich haben extrem viel zu tun und werden oft dringend in ihrem Labor oder im Unternehmen gebraucht. Über 20 Quantenakteure dazu zu bringen, mitten im Semester für eine relativ kurze Konferenz aus der Schweiz nach Chicago zu fliegen, erforderte viel Überzeugungs- und Beziehungsarbeit. Aber ich glaube, dass die Konferenz den Wert der sektorübergreifenden internationalen Zusammenarbeit aufzeigen konnte.
Anna Fontcuberta i Morral: Hinderlich ist sicher das Fehlen einer nationalen Institution, die jedes Land aus Sicht der Forschenden vertreten könnte. Auf Schweizer Seite wurde dieses Problem nun durch die nationale Swiss Quantum Initiative und die Schaffung einer entsprechenden Kommission gelöst. In Zukunft könnte man das bestehende Netzwerk allenfalls erweitern und noch mehr Akteure aus der Schweiz einbeziehen.
Welche Rolle werden Swissnex und der ETH-Bereich bei der Förderung internationaler Zusammenarbeitsprojekte im Bereich der Quantenwissenschaften in Zukunft spielen?
Benjamin Bollmann: Die Quantenwissenschaften werden für uns auch im Jahr 2023 höchste Priorität haben. Bei Swissnex versuchen wir, in bestimmten besonders wichtigen Bereichen wie den Quantenwissenschaften vermehrt auf einer «systemischen» Ebene zu arbeiten. Schon in der Vergangenheit hat sich Swissnex dafür eingesetzt, Personen und Organisationen über Landesgrenzen hinweg miteinander zu vernetzen. Im Quantenbereich erfordert dies eine gute Koordination mit anderen Einrichtungen wie dem ETH-Rat, aber auch mit der Swiss Quantum Initiative. Zudem haben wir vor, unsere bilaterale Konferenz mit der Zeit dank der Zusammenarbeit im weltweiten Swissnex Netzwerk zu einer multilateralen Konferenz weiterzuentwickeln.
Anna Fontcuberta i Morral: Der ETH-Bereich wird weiterhin bedeutende Summen in Quanten-Spitzenforschung und Innovation investieren. Der SNF und seine Programme tragen zu einer gut funktionierenden Zusammenarbeit mit den USA bei.
Welches sind die weiteren Schwerpunktthemen von Swissnex in Boston und New York für das Jahr 2023?
Benjamin Bollmann: Besonders die Themen «Gesundheit» und «Klima» stehen im Vordergrund. Wir unterstützen Biotech- und Medizintechnik-Start-ups in der Frühphase ihrer Erkundung des US-Marktes. Die BIO International Convention in Boston im kommenden Juni wird für uns ein dafür wichtiger Anlass sein. In Sachen «Klima und Nachhaltigkeit» haben wir letzten Herbst in New York ein neues Programm lanciert, bei dem sich Start-ups aus der Schweiz und den USA austauschen können. In diesem Jahr wollen wir das Programm in New York und Boston, den zwei US-amerikanischen Innovationshochburgen für Nachhaltigkeit, zusammen mit Innosuisse weiter ausbauen. Darüber hinaus interessieren wir uns auch für Design und die Rolle, die es bei der Entwicklung neuer Denkansätze und Lösungen für Nachhaltigkeitsprobleme spielen kann.
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