Praxisintegrierte Bachelorstudiengänge – ein Pilotprojekt soll verstetigt werden

Im Rahmen der Fachkräfteinitiative des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung wurde den Fachhochschulen ermöglicht, im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik befristet bis Ende 2025 sogenannte praxisintegrierte Bachelorstudiengänge (PiBS) anzubieten. Der Bundesrat hat Anfang September 2024 die Vernehmlassung zur Verstetigung der PiBS eröffnet.

17.10.2024
Autor/in: Sonja Henrich-Barrat
Eine Gruppe Studierender sitzt mit Laptops an einem Tisch in einem Lernraum und unterhält sich.
PiBS ist 2015 als kleines Projekt an einzelnen Fachhochschulen mit gut 30 Studienanfängerinnen und -anfängern gestartet. Bild: ZHAW

Nach bestandener Matura stehen Maturandinnen und Maturanden viele Wege offen. Eine Möglichkeit ist, ein Studium an einer Fachhochschule zu beginnen. Die Fachhochschulen, die seit ihrer Gründung in den 1990er Jahren, immer mehr an Beliebtheit gewonnen haben, sind sehr praktisch orientiert. Um Gymnasialmaturandinnen und -maturanden mit der Praxis vertraut zu machen, schreibt das Hochschulförderungs- und Koordinationsgesetz (HFKG) vor, dass diese vor Aufnahme eines Fachhochschulstudiums eine einjährige Arbeitswelterfahrung in einem dem Studienfachbereich verwandten Beruf absolvieren müssen. 

Im Rahmen der Fachkräfteinitiative des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) wurde den Fachhochschulen ab 2015 ermöglicht, im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT) befristet bis Ende 2025 praxisintegrierte Bachelorstudiengänge (PiBS) anzubieten. Für diese Studiengänge können Gymnasialmaturandinnen und -maturanden sowie Berufsmaturandinnen und -maturanden auch ohne Grundausbildung in einem der Studienrichtung verwandten Beruf direkt und ohne vorgängige einjährige Arbeitswelterfahrung zugelassen werden. Dabei umfassen aber PiBS vier statt drei Studienjahre mit einem von der Fachhochschule validierten Praxisanteil in einem Unternehmen im Umfang von 40 Prozent der Studienzeit. Solche Studiengänge setzen einen vierjährigen, ebenfalls von der Fachhochschule validierten Ausbildungsvertrag mit dem entsprechenden Unternehmen voraus.

PiBS ist 2015 als kleines Projekt an einzelnen Fachhochschulen mit gut 30 Studienanfängerinnen und -anfängern gestartet. Das SBFI hat 2017 eine erste Vorevaluation und 2019 eine Schlussevaluation durchführen lassen. Beide Evaluationen kommen zu guten Ergebnissen. Die Studierendenzahlen steigen zwar stetig. PiBS bleibt jedoch ein Nischenprodukt. Studierende, Unternehmen und Fachhochschulen sind zufrieden mit der Umsetzung. Jedoch konnten beide Evaluationen noch keine Aussagen darüber machen, ob PiBS einen Beitrag zum Fachkräftemangel leisten können. Die ersten Absolvierenden konnten nach vierjährigem Studium 2019 ihr Diplom entgegennehmen und in den Arbeitsmarkt starten. Auf Empfehlung der Evaluatorinnen und Evaluatoren wurden PiBS bis einschliesslich 2025 verlängert und mit einer Evaluationspflicht für das Jahr 2023 versehen. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits fünf Studienjahrgänge ihre Diplome erhalten. So hoffte man, sehen zu können, ob etwa Unternehmen dank PiBS Fachkräfte in ihren Unternehmen halten konnten. 

2023 hat das SBFI die geplante Wirkungsanalyse durchführen lassen. Sie hat folgende Ergebnisse zutage gefördert:

  • Die teilnehmenden Unternehmen, Fachhochschulen, Studierenden sowie Absolventinnen und Absolventen sind mit den PiBS mehrheitlich zufrieden.
  • Trotz insgesamt kleiner Fallzahlen hat das Interesse an PiBS seit 2015 stetig zugenommen. Inzwischen bieten alle Fachhochschulen der Schweiz PiBS in Vollzeit- und/oder Teilzeitmodellen an.
  • Die Ausbildungsplätze in den Unternehmen sind tendenziell knapp und regulieren damit den Bedarf an PiBS. Das Interesse an PiBS-Kooperationen steigt aber sowohl bei Grossunternehmen als auch bei KMU. 
  • Im Vergleich zu anderen MINT-Studiengängen ist der Frauenanteil in PiBS höher. 
  • Die hohe Praxisorientierung von PiBS ermöglicht es Studierenden, hohe praktische Kompetenzen zu erwerben. Der Übergang vom Studium in die Arbeitswelt wird durch PiBS erleichtert. 
  • PiBS zeitigen keine Auswirkungen auf die Bildungssystematik (keine Verdrängungseffekte auf Lehrstellen). 
  • Aus mikroökonomischer und unternehmensseitiger Sicht leisten PiBS einen entscheidenden Beitrag zur Minderung des Fachkräftemangels.  

Gestützt auf diese positiven Ergebnisse hat der Hochschulrat als zuständiges hochschulpolitisches Organ entschieden, PiBS zu verstetigen. PiBS sollen so weitergeführt werden, wie sie erprobt wurden: eine Ausweitung auf andere Fachgebiete als Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik wurde ausgeschlossen. Auch der Bundesrat ist zum Schluss gekommen, dass ein Bedürfnis zur Verstetigung von PiBS im MINT-Bereich besteht. Deshalb beantragt er eine entsprechende Änderung des Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetzes HFKG.

Die dafür notwendige Vernehmlassung dauert bis zum 4. Dezember 2024.


Kontakt
Sonja Henrich-Barrat, SBFI Wissenschaftliche Beraterin, Ressort Hochschulpolitik sonja.henrich@sbfi.admin.ch +41 58 462 95 20
Autor/in
Sonja Henrich-Barrat

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